Ein Menschenbild
Michael Chalupka über die Geburt in der Krippe
An das Christkind glaubt es sich leicht. Das bringt die Geschenke, wenn das Glöcklein klingelt. Auch wenn es niemand gesehen hat, ist es doch eine schöne Vorstellung und lebt in unseren Kinderherzen.
Schwerer zu begreifen ist der zentrale Glaubenssatz des Weihnachtsfestes: Gott wird als Mensch geboren, als Kind in der Krippe, seiner Allmacht entkleidet, als Kind, das umsorgt werden muss.
Ist es nach christlicher Vorstellung nicht umgekehrt? Der Mensch Ebenbild Gottes? Auch das ist schwer zu verstehen, wenn wir uns die Menschen ansehen, die Tod und Vernichtung über andere bringen, die Herren der Kriege, oder die, die nur ihren Vorteil suchen und über Leichen gehen. Angesichts des Leids und des Elends, das Menschen über Menschen bringen, ist der Glaube an die Gottesebenbildlichkeit ein schwieriger.
Dem Barockdichter Andreas Gryphius, geboren in Zeiten des Dreißigjährigen Krieges, war das bewusst. Er schrieb ein Weihnachtsgedicht, das uns verstehen lässt, wie beide Gedanken zusammenhängen: der Gedanke, dass wir nach Gottes Ebenbild geschaffen sind, und der, dass Gott Mensch geworden ist. Er schreibt: „Der Mensch war Gottes Bild! Weil wir dies Bild verloren, wird Gott, ein Menschenbild, in dieser Nacht geboren.”
Machen wir uns auf die Suche! Spüren wir den Schöpfergeist in uns, werden wir wieder Mensch, nach seinem Bild geschaffen! Weihnachten ist eine gute Gelegenheit dazu.