Diakonie: Riedl entsetzt über Lage in griechischen Flüchtlingslagern
Insel Chios sei „einer der traurigsten Orte Europas“
Chios/Athen/Wien (epdÖ) - Entsetzt über die Zustände in Flüchtlingslagern auf den griechischen Inseln vor der türkischen Küste zeigt sich Diakonie-Asylexperte Christoph Riedl. Anlässlich der 15. Europäischen Asylkonferenz von Kirchen und Diakonie auf der griechischen Insel Chios und in der Hauptstadt Athen, die am Samstag, 20. Oktober, zu Ende ging, schreibt Riedl in einem Blogeintrag auf Facebook: „Heute fühle ich mich hilflos, ich kann den Flüchtlingen kaum in die Augen schauen. Ich schäme mich in Grund und Boden für dieses Europa.“ Chios sei „einer der traurigsten Orte Europas“. Die Bedingungen auf der Insel seien entwürdigend, er ortet „organisierte Verantwortungslosigkeit in der europäischen Asylpolitik“, deren Scheitern hier spürbar werde. Riedl hatte die Diakonie Österreich bei der von der „Churches Commission for Migration in Europe“ (CCME) organisierten Konferenz vertreten.
„Die Menschen, die über Monate, manche viel länger als ein Jahr, darin leben müssen, haben Angst verrückt zu werden. Manche werden tatsächlich psychisch krank. Viele sind schon mit schweren Erkrankungen gekommen, viele haben im Heimatland Krieg, Folter und Vergewaltigung überlebt und sind schwer traumatisiert“, schreibt Riedl weiter. Die Polizei bewache das Lager nur von außen. Drinnen gebe es keine Sicherheit für Frauen und Kinder vor sexueller Gewalt. Viele der fast 2000 BewohnerInnen schliefen in Zelten und unter aufgespannten Planen. „110 von ihnen sind schwangere Frauen. Sogar Kinder versuchen inzwischen Selbstmord zu begehen.“
„Die Zustände sind ganz offensichtlich Teil eines europäischen Abschottungs- und Abschreckungskonzepts“, meinte Riedl auch in einer Aussendung zum Ende der Konferenz. Der politische Druck auf die griechische Regierung und Behörden sei immens, wisse er aus Gesprächen mit Vertretern von Behörden und unabhängigen Experten. Demnach sollen Schutzsuchende, denen es noch gelingt, mit Booten bis zu den griechischen Inseln zu kommen, grundsätzlich keinen Zugang zu einem Asylverfahren in der EU erhalten. Ihre Anträge würden ohne Prüfung der Fluchtgründe abgelehnt. „Ziel ist, möglichst viele in die keineswegs sichere Türkei abzuschieben“, wirft Riedl den Verantwortlichen vor. Seit März 2016 seien rund 1750 Personen zurückgeschoben worden, viele Verfahren seien bei den Gerichten anhängig.
In einer gemeinsamen Stellungnahme vom Freitag, 19. Oktober, fordern die beteiligten Kirchen und die Diakonie eine europäische Flüchtlingspolitik, die verfolgten Menschen solidarisch Schutz und Aufnahme gewährt. Dazu gehörten insbesondere „ein effektiver Zugang zu einem fairen Asylverfahren innerhalb der Europäischen Union, eine gerechte Verteilung und menschenwürdige Lebensbedingungen während des Verfahrens.“