Diakonie fordert Schließen der Personal-Lücke in der Pflege
Moser: „Wohn- und Betreuungsformen ausbauen“
Wien (epdÖ) – Angesichts der fehlenden 200.000 Pflegearbeitskräfte bis 2050 appelliert die Diakonie an die Politik, rasch Maßnahmen zu ergreifen um die Pflegelücke zu schließen. Es reiche nicht aus, die Pflege über Gehälter und Ausbildungsoffensiven attraktiv zu machen. „Menschen im Beruf zu halten oder zurückzugewinnen, erfordert eine grundlegende Reform des Systems“, betont Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser, nachdem am 7. Februar die Pflegepersonal-Bedarfsprognose der Gesundheit Österreich GmbH präsentiert wurde.
„Derzeit müssen sich Menschen mit Pflegebedarf genauso wie Menschen in den Pflegeberufen zu oft in die Logik des Systems zwängen“, sagt Moser. „Wichtig wäre es, jene Wohn- und Betreuungsformen auszubauen, die den Menschen gut tun, denn solche machen auch Pflegekräfte zufrieden und Pflege-Teams resilient“, zeigt sich die Diakonie-Direktorin überzeugt. Zudem brauche es eine nachhaltige, gesicherte Finanzierung im Pflegebereich. Darüber hinaus müsse die Zersplitterung der Kompetenzen zwischen Bund, Ländern und Gemeinden beendet werden. „Derzeit begrenzt also das System die Möglichkeiten. Wir brauchen aber eine Pflegelandschaft, in der Menschen mit Pflegebedarf das Angebot bestimmen“, unterstreicht Moser.
Dem stünden unflexible Rahmenbedingungen, bürokratische Hürden und effizienzfressende Prozesse entgegen. „Diese frustrieren, sie lenken von der Beziehung zum Menschen ab, und sie verringern die Zeit, die für die Arbeit am und mit dem Menschen bleibt, auf ein Mindestmaß“, erklärt Moser. Das sei „der tiefere Grund“, warum Pflegekräfte zu oft ihren Beruf in der Langzeitpflege aufgeben.
„Auch wenn wir wissen – aus Forschung und internationalen Erfolgsbeispielen – wie Betreuung und Pflege für die Menschen von heute aussehen kann und soll, sind wir weiterhin in jahrzehntealten Strukturen gefangen“, erläutert die Diakonie-Direktorin. Demnach setze das Pflegesystem an zu vielen Stellen Gelder wenig effizient ein und gehe vor allem an den Bedürfnissen der Menschen vorbei.
Der Spielraum für echte Innovation sei gering, neue Projekte fänden keine nachhaltige Finanzierung. Zwischen mobiler Betreuung und stationären Settings gebe es zu wenig Durchlässigkeit in beide Richtungen. Angebote, die einen Verbleib zu Hause sichern oder sogar eine Rückübersiedlung ermöglichen, stehen, so Moser, in viel zu geringem Maß zur Verfügung und sorgen zu oft für eine Übersiedlung ins stationäre Wohnen mangels Alternativen. Diese sei „volkswirtschaftlich teuer und nicht immer das, was die Betroffenen wollen“.
Pflegekräfte seien häufig durch bürokratische Hürden „bis zur Aufgabe“ frustriert. Eines der vielen Beispiele sei die Abholung von Medikamenten für die Klient:innen, die Betreuungsstunden im sechsstelligen Bereich „frisst“ und bei der die Pflege zwischen den verschreibenden und abgebenden Stellen „aufgerieben wird“.
Diakonie-Modell „SING – Seniorenarbeit innovativ gestalten“
Mit dem Dienstleistungs- und Finanzierungskonzept „SING – Seniorenarbeit innovativ gestalten“ hat die Diakonie ein grundlegend neues Modell vorgelegt, in dem Menschen mit Betreuungsbedarf in den Mittelpunkt gestellt werden. Pflegelots:innen überlegen mit den Betroffenen, wie sie leben wollen, welche Unterstützung sie dafür brauchen und welche Dienstleistungen es gibt. SING verbindet die so ermittelten bedarfsgerechten Dienstleistungen mit einer neuen Finanzierungslogik, in dem die Pflegegeldzahlung Kernstück des Modells bleibt. Einen Teil ihres Pflegegeldes können Pflegegeldbezieher:innen in einen höheren „Autonomiebetrag“ umwandeln. Damit können sie Dienstleistungen beziehen, die ihnen ermöglichen, weiterhin zu Hause zu leben. Die Aufgabe der Sozialorganisationen sei es, passende Angebote (weiter) zu entwickeln und bereit zu stellen, unterstreicht die Diakonie.