Bischof Chalupka: Karfreitag zeugt von der Brüchigkeit des Lebens

 
von Evangelischer Pressedienst

TV-Gottesdienst aus der Kreuzkirche in Graz – Hennefeld auf YouTube: Umwertung aller Werte

Graz (epdÖ) – Im Leiden und Sterben werde die Gottesferne erlebt und spürbar. Diese Gottesferne hätte auch Jesus am Kreuz gespürt. Aber Gott wolle das Leiden nicht, „er stellt sich dem Leid, er stellt sich an unsere Seite“, betonte Bischof Michael Chalupka im Karfreitagsgottesdienst, der live aus der Grazer Kreuzkirche am Volksgarten im ORF-Fernsehen und Radio übertragen wurde. Chalupka unterstrich auch, dass Gott nichts Menschliches fremd sei. „In Jesus, dem Christus, der unter uns gelebt hat, geliebt hat, mit seinen Jüngerinnen und Jüngern gegessen und Brot und Wein geteilt hat, ist Gott Mensch geworden, bis in den Tod am Kreuz.“

Chalupka, der 1960 in Graz geboren und in der Kreuzkirche getauft und konfirmiert wurde, warf einen Blick zurück auf Ostern 1945, kurz vor Ende des Zweiten Weltkrieges. In der Nacht der Karwoche schlugen in Graz die Bomben ein, die Kreuzkirche und das Pfarrhaus wurden getroffen. „Einzig das Bild von Christus am Kreuz hier im Altarraum blieb unbeschädigt“, bemerkte der Bischof. So wie damals brüllten auch heute wieder vielerorts die Sirenen, etwa in Charkiv und Odessa, Tel Aviv und Gaza. Gott scheine ferne, wenn die Sirenen heulen, sagte der Bischof. „Wir können die Sirenen nicht mehr hören, die Bilder der Verwüstung nicht mehr sehen. Doch der Karfreitag erinnert mich daran. Er erinnert mich daran, was Menschen Menschen antun können.“ Er erinnere aber auch daran, “dass im Leiden kein Sinn ist. Gott will nicht, dass Menschen leiden”, sagte Chalupka.

„Jesus war hier immer am richtigen Ort“

Die Kreuzkirche, aus der der Karfreitagsgottesdienst live übertragen wurde, liegt direkt am Volksgarten. (Foto: epd/Trojan)

Der Bischof verwies auch auf den Volksgarten, an dem die Kreuzkirche liegt. „Nach dem Krieg war der Volksgarten der Platz für die Schwarzhändler, später Umschlagplatz für Drogen und Ort vieler gescheiterter Existenzen.“ Jesus Christus am Kreuz sei immer hier gewesen, zu Zeiten des Krieges, der Schwarzhändler und heute. „Jesus war hier immer am richtigen Ort“, hob Chalupka hervor, denn „Jesus ist ja gerade gekommen, um den Sündern und Armen in ihrem Leid und Schmerz zur Seite zu stehen“. Um ihnen „und uns Trost im Leben und Sterben zu schenken“. Deshalb sei der Karfreitag so wichtig, „weil er von der Brüchigkeit des Lebens zeugt und von der Unverfügbarkeit der Zukunft, die uns bei bester Planung immer wieder aus den Händen geschlagen wird“.

Weiter Einsatz für einen Karfreitag als Feiertag für alle

In diesem Zusammenhang erneuerte der Bischof die Forderung nach dem Karfreitag als Feiertag für alle: “Auch nach den Erfahrungen der letzten Jahre, die den Glauben an die Machbarkeit und an die Sicherheit erschüttert haben, halten wir daran fest, dass der Karfreitag ein Feiertag für alle werden soll, gegen alle wirtschaftliche Vernunft, weil er uns daran erinnert, wie unvernünftig es ist, zu meinen alles in der Hand zu haben”, sagte der Bischof in der Karfreitagspredigt.

„Es ist nicht gut, wenn Kinder vom Gebrüll der Sirenen geweckt werden und zu den gepackten Rucksäcken greifen müssen, um loszurennen, weil über ihnen der Himmel zerbirst“, schloss Chalupka. „Schauen wir hin, tun wir was wir tun können, in der Finsternis, die uns umgibt. Geben wir die Hoffnung nicht auf, dass hinter dem Dunkel des Himmels der Silberstreif der Auferstehung zu ahnen ist.“

Hennefeld: Karfreitag – der Tag der Umwertung aller Werte

Durch das Kreuz öffne sich ein neuer Weg, „der so quer liegt zu allem, was in dieser Welt zählt”, betonte Landessuperintendent Thomas Hennefeld am Karfreitag auf YouTube. (Screenshot: Trojan)

Den Verlierern und Gewinnern widmete sich der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld in seiner Karfreitagsandacht auf dem YouTube-Kanal der Evangelischen Kirche. „Verlierer sind nicht nur arm dran, sondern können auch zornig werden. Und die Gewinner strahlen und schauen auf die Verlierer hinunter.“ Die Botschaft des Karfreitags folge allerdings einer anderen Logik. „Jesus sagte zu seinen Jüngern: Wer sein Leben zu bewahren sucht, wird es verlieren; wer es verliert, wird es gewinnen.“

Durch das Kreuz öffne sich ein neuer Weg, „der so quer liegt zu allem, was in dieser Welt zählt, wofür Kriege geführt werden und Menschen einander die Hölle auf Erden bereiten“. Da wolle sich ein Verlierer nicht rächen, sondern „lässt mit sich alles geschehen aus Liebe, aus grenzenloser Liebe, die andere für naiv oder gefährlich halten mögen“. Dort, wo scheinbar nichts mehr geht, wo alles entschieden ist zwischen Verlieren und Gewinnern „findet die Umwertung aller Werte statt“, unterstreicht Hennefeld.

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