29 „Erprobungsräume“ gehen in der Evangelischen Kirche an den Start

 
von Evangelischer Pressedienst

Bischof Chalupka: Entwicklungsprozess soll „Zukunftsdynamik auslösen“ – Prozess „Aus dem Evangelium leben“ will bei der Basis ansetzen und das geistliche Leben vor Ort stärken

Wien (epdÖ) – Mit dem breit angelegten Prozess „Aus dem Evangelium leben“ will die Evangelische Kirche A.B. in Österreich das geistliche Leben vor Ort stärken. Der Prozess setzt bei der Basis an und werde „innovative Impulse“ unterstützen, ist der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka überzeugt. 39 Projekte hatten sich für den Entwicklungsprozess, der bis 2024 läuft, beworben, nun ist die Entscheidung gefallen: 29 Projekte aus allen Diözesen gehen als „Erprobungsräume“ in den Entwicklungsprozess. Bei einem Online-Kick-Off am Donnerstag, 9. Dezember, wurden die erfolgreichen Einreichungen vor mehr als 170 Teilnehmerinnen und Teilnehmern erstmals vorgestellt. 

Die Erprobungsräume sollen das lokale kirchliche Leben stärken, Haupt- und Ehrenamtliche entlasten und eine „Diskussion über Struktur und Verfasstheit der Evangelischen Kirche in Österreich“ initiieren, erklärte Bischof Chalupka. „Was wir hier tun wird Folgen haben für das Gesamte der Kirche“, so der Bischof. Gleichzeitig wolle man ausgehend von den Erfahrungen der Kirchenbasis neue Finanzquellen erschließen und Einsparungspotenziale ausloten. Chalupka unterstrich die Bedeutung des Entwicklungsprozesses als „Kulturwandel“, der eine „Zukunftsdynamik“ auslösen solle.  

Gestartet worden war der Entwicklungsprozess im Mai 2021. Ausgewählt wurden die Erprobungsräume vom Kirchenpresbyterium, dem gesamtösterreichischen Leitungsgremium, nach Beratungen auf Ebene der Superintendenzen und der projektinternen Arbeitskreise. In den 29 Projekten sind 178 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter involviert. Die Erprobungsräume legen ihre Schwerpunkte auf die drei inhaltlichen Säulen des Entwicklungsprozesses: Dienstgemeinschaften („Gemeinsam dienen“), regionale Kooperationen („Über den Horizont hinaus“, und die Stärkung der österreichischen protestantischen Identität („Leuchträume des Evangeliums“). Neben kirchlichen Gemeinden, Einrichtungen und Werken finden sich teilweise auch außerkirchliche Projektpartner. Bei dem Projekt „Über die Grenze verbunden, um das Evangelium leuchten zu lassen“ ist auch eine grenzüberschreitende Kooperation zwischen burgenländischen Pfarrgemeinden und der Studentengemeinde Mosty Bratislava zustande gekommen. 

Im Lockdown zuhause und doch gemeinsam: Mehr als 170 Menschen nahmen an der Präsentation teil. Foto: AEL

Erste Einblicke in die Erprobungsräume

Bei dem Online-Event skizzierten Vertreterinnen und Vertreter von ausgewählten Erprobungsräumen in kurzen Präsentationen ihre Problemstellungen und Ziele. Die Pfarrgemeinde Innsbruck-Christuskirche etwa will zur Entlastung von Haupt- und Ehrenamtlichen mit einer hauptamtlichen Person für Gemeindemanagement „ein neues Berufsbild schaffen, das es in der Form noch gar nicht gibt“, wie Pfarrer Werner Geißelbrecht unterstrich. Dazu würden alle Berufe und Aufgaben innerhalb der Gemeinde analysiert und im Zuge von Nachbesetzungen die neue Management-Stelle mit entworfen. Kuratorin Maria Kalcsics betonte: „Wir wollen damit als Gemeinde handlungsfähig bleiben und gut arbeiten.“ 

Kärnten: „kirchliches Wohnzimmer für junge Erwachsene“

Im Kärntner Lieser- und Maltatal hat man festgestellt, dass trotz einer starken Kinder- und Jugendarbeit der Anschluss von jungen Menschen an traditionelle kirchliche Angebote verlorengeht. Insbesondere junge Familien hätten sich nicht in der Kirche wiedergefunden, erklärte Gemeindepädagoge Bernd Stamm. Dazu käme eine starke Abwanderung aus der Region. In dieser Situation wolle das LIMA-Jugendzentrum ein „kirchliches Wohnzimmer für junge Erwachsene sein“, Jugendarbeit überregional denken, und in eigenen Gottesdiensten für Jugendliche und junge Familien einen Schwerpunkt auf Lobpreis oder alltagsnahe Predigten legen. 

Salzburg: Verstehen was Kinder und Jugendliche wollen und brauchen

Für den Salzburger Jugendverein „teilweise“ beobachtete Jugendreferent Oliver Binder, man habe sich „zu lange zu sehr auf die eigenen Leute fokussiert und zu wenig auf Nichtevangelische geschaut“. Man wolle verstehen, was die Kinder und Jugendlichen wollen und brauchen: „Dazu bauen wir zu den Kids Beziehung auf.“ Handlungsleitend sei die Frage von Jesus: „‚Was willst du, das ich dir tun soll?‘ Man muss die Leute fragen, was sie wollen.“ Karin Kirchtag, Pfarrerin in der Salzburger Auferstehungskirche, sprach von einem bewusst missionarischen Ansatz des Projekts.

Südburgenland: Noch engere Kooperationen zwischen den Pfarrgemeinden

Der burgenländische Bezirk Oberwart weist mit zwölf evangelischen Pfarrgemeinden die höchste Dichte an Protestantinnen und Protestanten in Österreich auf. Diese historisch gewachsene und geographische Nähe wolle man nützen, um noch enger aneinander zu rücken, erklärte Pfarrer Carsten Marx (Großpetersdorf/Rechnitz). Konkret wolle man hier in der Verwaltung, der Kinder- und Jugendarbeit und der Kirchenmusik enger zusammenarbeiten. Ziel sei dabei ein ressourcenorientierteres Arbeiten: „Je älter die Kirche, desto dicker die Mauern, habe ich festgestellt. Das stimmt für Gebäude. Aber es stimmt nicht für das Leben in unseren evangelischen Pfarrgemeinden.“  

Pfarrer und Projektverantwortlicher Patrick Todjeras motivierte die Anwesenden dazu, „Botschafterinnen und Botschafter“ des Entwicklungsprozesses zu werden und auch andere Gemeinden und Initiativen dazu zu anzuregen, sich im Rahmen künftiger Ausschreibungsrunden als Erprobungsraum zu bewerben. 

Alle Projekte auf einen Blick

Folgende Projekte sind als Erprobungsräume Teil von „Aus dem Evangelium leben“ (Stand 9. Dezember 2021). Mit fünf weiteren Antragstellern sei man noch in Gesprächen, hieß es vonseiten der Steuerungsgruppe des Entwicklungsprozesses. 

Burgenland

  • MobileKirche (Superintendenz)
  • Dienstgemeinschaft Bezirk Oberwart (Zwölf Pfarrgemeinden im Bezirk Oberwart)
  • Verbundenheit leben – Diakonie in den Bezirken Mattersburg und Eisenstadt/Umgebung
  • Über die Grenze verbunden, um das Evangelium leuchten zu lassen (Pfarrgemeinden Deutsch Jahrndorf, Nickelsdorf, Zurndorf, Studentengemeinde Mosty Bratislava)

Kärnten/Osttirol

  • Evangelisch am Wörthersee (Pfarrgemeinden Klagenfurt, Pörtschach, Velden)
  • PARA|DISE – Kirche in der Paragleiter-Szene
  • Evangelisches Jugendzentrum für das Lieser- und Maltatal
  • Café GL.U.ECK – Der Treffpunkt GLeich Um’s ECK (Pfarrgemeinde Villach-Stadtpark)

Niederösterreich 

  • Lern-Café Wiener Neustadt
  • Ervolxkirche (Superintendenz)
  • Evangelisch im Waldviertel (Pfarrgemeinde Gmünd – Waidhofen a. d. Thaya)
  • Predigtstationen werden echte Begegnungsräume (Pfarrgemeinde Schwechat)

Oberösterreich

  • LIVE EXTREME – Glaube im Sport 
  • Evangelische Migrationsgeschichte(n) (Evangelisches Museum Oberösterreich)
  • Übergemeindliche Konfirmandenarbeit+ (Pfarrgemeinden Bad Hall, Neukematen, Sierning)
  • musik-be-geistert (Pfarrgemeinde Rutzenmoos, Posaunenchor Rutzenmoos)
  • Familie im Fokus (WEMSchT – Pfarrgemeinden Wallern, Eferding, Marchtrenk, Scharten, Thening)

Steiermark 

  • Hier wird Gott Mensch (Pfarrgemeinde Graz Kreuzkirche)
  • Mit anderen Augen sehen (Pfarrverband Leibnitz/Radkersburg)
  • Junge Erprobungsräume (Pfarrverband Feldbach/Gleisdorf)
  • Evangelisch in Graz (Fünf Grazer Pfarrgemeinden)

Salzburg/Tirol

  • Durstlöscher (Pfarrgemeinde Jenbach A.u.H.B.)
  • Der Schöpfung auf der Spur (Jenbach/Tiroler Unterland)
  • Überregionales Konficamp in Tirol (Tiroler Pfarrgemeinden)
  • Kooperation im ländlichen Raum (Pfarrgemeinden Saalfelden und Zell a. See)
  • Der Zukunft Freiraum geben. Dienstgemeinschaft Innsbruck-Christuskirche (Pfarrgemeinde Innsbruck Christuskirche)
  • teilweise. Offene Arbeit mit Kids und Jugendlichen im Salzburger Süden (Verein teilweise)

Wien 

  • Café Memory – Projekt zur Unterstützung von Menschen mit Vergesslichkeit oder Demenz und deren Angehörige (Pfarrgemeinden Favoriten, Hetzendorf, Hietzing, Innere Stadt, Landstraße, Liesing, Simmering)

Diözesen übergreifend 

  • „Evangelischer Leuchtturm Burg Finstergrün“ (Evangelische Jugend Burg Finstergrün)

Mehr zum Prozess „Aus dem Evangelium leben“: evang.at/ael

Die mehr als 170 Teilnehmenden gaben in einer interaktiven Umfrage an, was sie an ihrer Kirche schätzen. Foto: AEL

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