Es geht um die Wurst
Michael Chalupka darüber, wie der Bibelvers „Weinen hat seine Zeit, Lachen hat seine Zeit“ in der Seelsorge auf Umwegen ins Leben gebracht werden kann.
Am Anfang standen die Tränen. David hat Liebeskummer. In meinem Alter kommt man selten in die Gelegenheit, junge Menschen trösten zu müssen. Als Freund der Familie, der zufällig zur Unzeit am Küchentisch gelandet ist, kommt man allerdings nicht drum herum, sein Bestes zu geben. Als Pfarrer fallen einem da natürlich passende Bibelzitate ein, wie sie etwa im Buch der Sprüche stehen: „Ein jegliches hat seine Zeit, und alles Vorhaben unter dem Himmel hat seine Stunde: weinen hat seine Zeit, lachen hat seine Zeit; klagen hat seine Zeit, tanzen hat seine Zeit; herzen hat seine Zeit, aufhören zu herzen hat seine Zeit; suchen hat seine Zeit, verlieren hat seine Zeit.“
Bevor meine kleine Predigt noch irgendeinen Eindruck erzielen konnte, tönte es aus dem Lehnstuhl, in dem Oma Käthe saß. „Alles hat ein Ende, nur die Wurst hat zwei!“ Käthe hat ein großes Herz, aber auch die Tendenz, pubertierende Herzen nicht allzu ernst zu nehmen und alles ein wenig ins Lächerliche zu ziehen. Doch dass die Wurst zwei Enden hat, bedeutet auch, dass man nicht weiß, wo der Anfang ist. Wer weiß, ob nicht das Ende gar der Anfang ist. Wir haben uns dann noch lang über die Unendlichkeit der Würste unterhalten. David hat noch eingewandt, dass er im Spanischunterricht das Sprichwort gelernt hat: Das Leben hätte mehr Tage als Würste. Am Ende haben wir mehr gelacht als geweint. Auch wenn ihm seine verlorenen Liebe noch immer nicht Wurst war.