ÖRKÖ: „Alarmiert“ über zunehmenden Antisemitismus in Österreich und Europa
Erklärung zum Jahrestag der Novemberpogrome von 1938
Wien (epdÖ) – „Alarmiert“ zeigt sich der Ökumenische Rat der Kirchen (ÖRKÖ) darüber, dass sich „Jüdinnen und Juden in Österreich und ganz Europa zunehmend wieder unsicher fühlen“. In einer Erklärung zum Jahrestag der Novemberpogrome vom 9. November 1938 ruft der ÖRKÖ „zur Wachsamkeit gegenüber jeglicher Form von Politik auf, die auf Abwertung und Ausgrenzung von Minderheiten setzt“. Der Einsatz gegen den Antisemitismus beinhalte für die Kirchen die „bleibende Verantwortung, dass wir uns mit dem eigenen Versagen in der Vergangenheit auseinandersetzen und gegen das Vergessen wirken. Wir verpflichten uns dazu, das Gedenken an die Opfer der Shoah wachzuhalten und uns auch für das noch stärkere Sichtbarmachen von Gedenkorten einzusetzen.“ Laut Antisemitismusstelle der Israelitischen Kultusgemeinde Wien wurden im ersten Halbjahr 2021 562 antisemitische Vorfälle gemeldet. Das seien mehr als doppelt so viele wie im Vergleichszeitraum des Vorjahres (257).
Die Kirchen hätten sich jahrhundertelang und ganz besonders in der Zeit des Nationalsozialismus gegenüber dem Judentum schuldig gemacht, bekennt der ÖRKÖ. Erst die Shoa habe einen Wendepunkt in der Beziehung zwischen den beiden Religionen herbeigeführt. Man sei dankbar dafür, mit den jüdischen Gemeinden in Österreich heute „freundschaftlich verbunden“ zu sein: „Wir bitten die jüdischen Gemeinden, diese unsere Haltung als Baustein unseres ernsthaften Bemühens zu sehen, die christlich-jüdischen Beziehungen bleibend auf eine tragfähige Basis zu stellen.“
Gleichzeitig sehe man, „dass es zwischen Christentum und Judentum bei aller Verwandtschaft auch Differenzen gibt, die bei allen Dialogbemühungen und Weggemeinschaften nicht von einer Seite allein her überwunden werden können. Das darf uns aber nicht daran hindern, füreinander einzutreten, im gegenseitigen Respekt gemeinsam für die Achtung der Menschenwürde und Menschenrechte und soziale Gerechtigkeit in unserem Land und weltweit einzutreten.“ Insbesondere verweist der ÖRKÖ auf die Bemühungen des Koordinierungsausschusses für christlich-jüdische Zusammenarbeit, der heuer sein 65-jähriges Bestehen feiert.
Die Novemberpogrome
In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden im gesamten deutschen Machtbereich Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte sowie Wohnungen zerstört und verwüstet. Zahlreiche Jüdinnen und Juden wurden bei den Pogromen getötet oder verletzt. Allein in Wien wurden im Zuge des Furors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Jüdinnen und Juden kamen in Haft, knapp unter 4.000 davon wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.
Interreligiöses Gedenken
Am 9. November fanden in mehreren Orten Österreichs christlich-jüdische Gedenkfeiern statt, in Wien etwa ein ökumenischer Gottesdienst in der Ruprechtskirche mit Gedenkworten der römisch-katholischen Theologin Regina Polak und anschließendem Schweigegang zum Mahnmal auf dem Judenplatz. Auch in Salzburg gab es eine Gedenkfeier auf dem Alten Markt und anschließend ein jüdisches Kaddisch-Gebet in der Kollegienkirche.