Corona: Ethiker Körtner gegen Selbstbehalte für Ungeimpfte
Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen vorstellbar
Wien (epdÖ) – Der Wiener evangelische Theologe und Ethiker Ulrich Körtner warnt davor, von Menschen ohne Corona-Schutzimpfung Selbstbehalte für ihre Behandlung im Fall einer Erkrankung einzufordern. „Wir müssen aufpassen, dass wir aus dem berechtigten Interesse, aus dieser Pandemie herauszukommen, in eine Gesundheitspolitik hineingeraten, wo wir ein Normbild haben, wie gesund Menschen zu sein haben, und wir sie für alles ächten, was davon abweicht“, sagte Körtner in der ORF-Diskussionssendung „Im Zentrum“ am Sonntag, 12. September. Man könne in einem „solidarisch finanzierten“ Gesundheitssystem nicht Menschen für bestimmte Krankheiten „zur Kasse bitten“: „Wo wollen Sie da die Grenze ziehen? Was machen Sie mit Rauchern, was mit Übergewichtigen?“ Maßnahmen wie Selbstbehalte könnten zudem dazu führen, dass Menschen Krankheiten verheimlichten: „Der Schuss könnte nach hinten losgehen.“
„Die Pandemie ist keine Privatsache“
Eine Impfpflicht für bestimmte Berufsgruppen sieht Körtner nicht als alleiniges Allheilmittel, aber als Teil einer umfassenden Strategie: „Auf Aufklärung zu setzen ist allemal besser. Aber wir haben nicht die Zeit, noch ein Jahr Kampagnen zu machen und gut zuzureden.“ Das Pochen von Impfgegnern auf ihre persönliche Freiheit relativiert Körtner: „Die Pandemie ist keine Privatsache. Das Virus interessiert sich nicht für Ihre privaten Befindlichkeiten.“ Grundrechte müssten immer gegeneinander und gegen die Rechte anderer abgewogen werden.
Druck auf Impfunwillige auszuüben hält die Wiener Politikwissenschaftlerin Julia Partheymüller für kontraproduktiv, wie sie in der Diskussionsrunde klar machte: „Wir müssen jedem individuell erklären, warum es einen Nutzen gibt. Ich glaube, Druck führt zu mehr Verängstigung und Reaktanz.“ Ablehnung kam auch von der Salzburger FPÖ-Obfrau Marlene Svazek, die von einer „moralischen Überhöhung der Geimpften“ sprach. Ausnahmen vom Solidarsystem in Gesundheitswesen würden „das gesamte Gesellschaftssystem in Frage stellen“. Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi von den Grünen verglich die gegenwärtige Situation mit einem Achter-Ruderboot, in dem drei Insassen nicht rudern wollten: „Es gibt auch eine Verantwortung für die Solidargesellschaft. Wir impfen unsere Kinder seit Jahrzehnten im Rahmen des Mutter-Kind-Passes. Wir haben damit Krankheiten ausrotten können.“
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