„Als Schneeflocke war ich in Monstab losgelaufen, als Lawine kam ich in Rom an“
Pilger-Expertin Arnhild Kump über ihre persönliche "Pilger-Geschichte" und Pilgern in Corona-Zeiten
Mit Pfarrer Dr. Michael Wolf gründete Arnhild Kump 2008 das Ökumenische Pilgerzentrum Wien. Die Pilgerphilosophie sei inzwischen für sie zur Lebensphilosophie geworden, so Arnhild Kump. In diesem sehr persönlichen Artikel berichtet die Pilger-Expertin von ihrer "20-jährigen Pilger-Geschichte" und wie so ein gemeinschaftliches Pilgern abläuft.
Jubiläum 20 Jahre Pilgerreise nach Rom
„Als Schneeflocke war ich in Monstab losgelaufen, als Lawine kam ich in Rom an“
Vor 20 Jahren, am 29. Juli 2001, wurde ich von Thüringer Landesbischof Roland Hoffman als Ökumenische Botschafterin der katholischen und evangelischen Christen in Thüringen, Sachsen und Sachsen-Anhalt mit einem feierlichen Gottesdienst auf die Pilgerwanderung nach Rom ausgesendet. Unterwegs besuchte ich zahlreiche Kirchgemeinden, Kommunen und Klöster, führte viele Gespräche mit Menschen, denen ich auf der Straße begegnete. Auf den historischen Spuren von Pfarrer Peter Wolf, der 1513 und 1518 nach Rom gewandert war, pilgerte ich von Monstab im Altenburger Land über Hof, Nürnberg, Augsburg, Konstanz, Zürich, Mailand, Genua, Pisa und Florenz nach Rom. In 68 Tagen lief ich 1854 km. Mitte November erreichte ich mein Ziel. „Als Schneeflocke war ich in Monstab losgelaufen, als Lawine kam ich in Rom an“, weil viele Menschen in der Heimat, aber auch unterwegs, die Ökumenische Botschaft unterstützten und für unser Anliegen gebetet haben. In Zürich wurde mir eine Grußbotschaft aller christlichen Gemeinschaften der Schweiz an Papst Johannes Paul II. übergeben. Auch die Evangelische Kirche von Italien schloss sich unserem Romprojekt mit einer Botschaft an. Weltweit wurde damals vom Vatikan über unser historisches Gemeinschaftsprojekt berichtet. Aus diesem Grund durfte ich am 21. November 2001 die wichtigen Dokumente, zu denen auch eine Grußbotschaft des Landkreises Altenburger Land gehörte, persönlich an Papst Johannes Paul II. übergeben. Zum Jahresende 2001 erhielten wir einen Dankesbrief vom Vatikan. Es war uns gemeinsam gelungen, ein wichtiges Zeichen für die Ökumene zu setzen.
Die Rompilgerreise war und ist für mich persönlich ein unvergessliches Erlebnis. Es veränderte mein Leben umfassend. 2002 übersiedelte ich nach Zürich, arbeitete 4 Jahre im Pilgerzentrum St. Jakob. Im Jahr 2006 heiratete ich nach Wien, wo ich nun schon seit 15 Jahren eine dritte Heimat gefunden habe. Mit Pfarrer Dr. Michael Wolf gründete ich 2008 das Ökumenische Pilgerzentrum Wien. Die Pilgerphilosophie ist inzwischen für mich zur Lebensphilosophie geworden. Besonders freue ich mich über die wachsende Pilgergemeinschaft und das länderübergreifende Netzwerk, in dem ich mitarbeiten darf. Zahlreiche Freundschaften wurden in dieser Zeit geschlossen, die bis heute bestehen. Dafür bin ich sehr dankbar.
Trotz der Corona-Pandemie, die viel Kraft kostet und unser Leben stark verändert, konnten wir vom 30.07.-01.08.2021 das 20-jährige Jubiläum in meiner Heimat Thüringen feiern. Zahlreiche Gäste aus Nah und Fern waren gekommen, um dabei zu sein. Auch eine Pilgergruppe aus Österreich war angereist.
Am Freitag, den 30. Juli, erzählte ich im Pfarrhof Nöbdenitz, gleich neben der berühmten 1000-jährigen Eiche, von den Erlebnissen auf der Pilgerreise und wie sie mich Schritt für Schritt unterwegs veränderten. Auch nach 20 Jahren sind die wichtigsten Ereignisse noch immer bei mir sehr präsent. Nach dem Abendläuten wurde das Programm mit einer Andacht im angenehm schattigen Garten des historischen Pfarrhofs fortgesetzt. Zum Abschluss des Begrüßungsabends schauten wir Filmaufnahmen, die das Fernsehen damals in Auftrag gegeben hatte.
Am Samstag begann der Pilgertag mit der traditionellen Pilgerandacht. Mit dem Pilgersegen im Gepäck machten wir uns danach schweigend auf den Weg nach Posterstein. Der Lutherweg-Abschnitt führt entlang dem Fluss „Sprotte“ und regt mit mehreren spirituellen Impulsstationen zur Achtsamkeit und Erinnerung an die Taufe an. In der Kirche der Burg Posterstein bewunderten wir die wunderschönen Schnitzereien im Kircheninneren. Leider reichte die Zeit nicht für einen Besuch in der Burg. So nutzen wir unterwegs immer wieder Gelegenheiten, um auf die interessante Geschichte und besondere Bauwerke der Region hinzuweisen. Erwähnenswert waren der berühmte Musenhof der Gräfin Dorothea vom Kurland in Löbichau und das Schloss Tannenfeld. In Mennsdorf berichtete uns eine Kirchenälteste eindrücklich über die Bemühungen des kleinen Dorfes für die Erhaltung ihres Kirchleins. In Paitzdorf erwartete die Hungrigen eine köstliche Pilgersuppe. Natürlich schauten wir nach der Stärkung auch hier in die Kirche und erfuhren u. a. von den vielen, Mitte des 19. Jh. nach Amerika ausgewanderten evangelischen Gemeindemitgliedern. Danach marschierten wir durch das ehemalige „Wismut-Gelände“ direkt nach Ronneburg, das früher Bad Ronneburg hieß. In der Bogenbinderhalle wurden wir vom „Bergbauverein Ronneburg e. V.“ erwartet und durch die interessante Ausstellung geführt. So konnten wir einen Einblick in die Geschichte des Uran-Abbaus für die frühere Sowjetunion erhalten, der uns auch auf die negativen Auswirkungen auf die gesamte Region aufmerksam machte. In Vorbereitung der Bundesgartenschau 2007 wurden viele Schäden beseitigt. Die einst weithin sichtbaren Abraumpyramiden verschwanden, der 240 m tiefe Tagebau Lichtenberg wurde zugeschüttet und ein Großteil der Landschaft erhielt eine neue Gestalt. Für die Pilger aus Österreich und aus anderen Regionen Deutschlands war die „Wismut-Geschichte“ von besonderem Interesse. In der Ronneburger Marienkirche endete unser Pilgertag mit der traditionellen Andacht, die mit einer Orgel-Interpretation zum Pilgerlied „Möge die Straße uns zusammenführen“, abschloss.
Am Sonntagvormittag versammelte sich eine große Gottesdienstgemeinde in der St. Trinitatis-Kirche zu Monstab. Musikalisch umrahmt wurde der Gottesdienst von der historischen Orgel, vom Posaunenchor und einem Trompeter, der in Wien studiert sowie einer Sängerin und Pilgerin, ebenfalls aus Wien. Grußworte überbrachten der Landrat des Altenburger Landes, die ehemalige Präsidentin der Evangelische Kirche von Italien, das Pilgerzentrum St. Jakob Zürich und das Ökumenisches Pilgerzentrum Wien. Im Anschluss verlas die Superintendentin die Neu-Verpflichtung zur Ökumene. Wir wollten mit dem Jubiläumsfest ein Zeichen setzen und den Menschen Mut machen sowie in der schwierigen Zeit der Corona-Pandemie Zuversicht vermitteln. Aber auch Gemeinschaft erlebbar sowie Lebensfreude und Dankbarkeit sichtbar machen. Das Pilgern verbindet Menschen. Das ist besonders in Krisenzeiten wichtig, denn: Wer geht, dem geht es gut“.
Das Pilgervirus hat sich enorm ausgebreitet. Es ist ein schönes Gefühl zur großen Pilgergemeinschaft zu gehören und weiterhin Brücken zu bauen zu Menschen, die auf der Suche sind. Das Unterwegssein auf den verschiedenen Pilgerwegen hilft bei der Neuorientierung. Altes loslassen. Im Vertrauen auf Gott den neuen Weg gehen. So bekommt unser Leben einen wertvollen Impuls, der uns weiter voranträgt.
Text: DI Arnhild Kump, Leiterin Ökumenisches Pilgerzentrum Wien
Kontakt:
Ökumenisches Pilgerzentrum Wien
Email: Pilgerzentrum.Wien@gmx.at
Tel.: 0664 946 0002
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Evangelische Christuskirche Favoriten
1100 Wien, Triesterstr. 1
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