Gut Ding braucht Weile
Maria Katharina Moser über eine widerspenstige Tugend
„Derwartn kannst du mehr als wie derrennen.“ Dieser weise Spruch ist an mein Ohr gedrungen, als ich kürzlich in meiner oberösterreichischen Heimat war. Mir gefällt diese Umschreibung von „gut Ding braucht Weile“ deswegen so gut, weil „derrennen“ nicht nur sich abmühen, um schnell ein Ziel zu erreichen, bedeutet, sondern auch verunglücken. Man kann sich, will man ein Ziel allzu schnell erreichen, auch zu Tode rennen.
Und doch erfasst mich die Ungeduld, wenn gut Ding allzu viel Weile braucht. Ich muss zugeben, die Geduld gehört nicht zu meinen herausragenden Tugenden, mir reißt schon mal der Geduldsfaden. Auch frage ich mich immer wieder, wenn Geduld eingemahnt wird: Ist die Ungeduld nicht auch produktiv? Treibt sie uns nicht auch an, damit die Dinge in Bewegung kommen und etwas weitergeht? Holt uns der ungeduldige Wunsch nach Veränderung nicht aus der Passivität?
Ein Blick in die Bibel zeigt mir: Es ist womöglich gar kein Widerspruch zwischen der Ungeduld, die uns anspornt, und der Geduld, die dem „Ding“ die Weile gibt, die es eben braucht, damit es letztlich gut wird. Die Bibel lobt die Geduld. „Wer geduldig ist, ist weise“, heißt es im Buch der Sprüche. Aber nicht das geduldige Hinnehmen oder passive Abwarten wird gelobt. Wenn die Bibel von Geduld spricht, meint sie aktive Geduld: „Lasst uns laufen mit Geduld in dem Kampf, der uns bestimmt ist“, lesen wir im Hebräer-Brief. Geduld meint nicht die Hände in den Schoß legen, sondern Durchhaltevermögen. Beharrlich auf ein Ziel zusteuern. Nicht aufgeben. Handeln auf lange Sicht und sich nicht unterkriegen lassen. Auf dass, was lange währt, endlich gut werde.
Das ist eine ziemliche Herausforderung in unserer Welt, in der gilt: immer höher, immer weiter, immer schneller. Geduld aber heißt Abschied vom schnellen Erfolg. Das ist, scheint’s, keine Parole für die Macher und Herrscher. Doch ist es gerade die Beschleunigung, die viele heute knechtet. Menschen wachen nachts schweißgebadet auf aus Sorge, nicht mehr mitzukommen, nicht mehr auf dem Laufenden zu sein, abgehängt zu werden. Mit der Beschleunigung steigt die Gefahr, dass wir, wenn wir das Tempo nicht halten können, den Anschluss an das Erfolghabenkönnen verlieren. Die Gefahr, uns zu „derrennen“, ist groß. Die Geduld ist eine widerspenstige Tugend. Sie sperrt sich gegen den Zeitgeist.