Landessuperintendent Hennefeld: Kirchen sollen „Stachel in Gesellschaft“ sein
Predigt zum Eröffnungsgottesdienst der Generalsynode
Graz (epdÖ) – Vor dem Hintergrund aktueller politischer Entwicklungen hat der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld die Kirchen und Religionsgemeinschaften dazu aufgerufen, ihre kritische Funktion für die Gesellschaft wahrzunehmen. „Manche haben in den letzten Monaten beklagt, dass die Religionsgemeinschaften nicht als systemrelevant betrachtet wurden. Sollten wir nicht eher ein Stachel im Fleisch der Gesellschaft sein als systemrelevant? Und sollten wir nicht eher unsere prophetische Stimme gegen Unrecht, Doppelmoral und Verlogenheit erheben anstatt uns damit abzufinden?“ fragte Hennefeld am Sonntag, 6. Juni, in seiner Predigt beim Eröffnungsgottesdienst der Generalsynode in Graz.
Hennefeld verwies zum einen auf die jüngste Diskussion um die umstrittene Islam-Landkarte und die „Dokumentationsstelle politischer Islam“. „Seien wir froh, dass wir Evangelische unseren Glauben frei leben dürfen. Man könnte auf die Idee kommen, dass es eine Dokumentationsstelle für Politisches Christentum braucht, inklusive Landkarte, wo aufgezeigt wird, wer von uns besonders politisch predigt“, so Hennefeld. Zudem beobachte er eine „Erosion unserer liberalen Demokratien mit autokratischen Tendenzen in unserer unmittelbaren Nachbarschaft“. Kritik äußerte der Landessuperintendent auch an den „fast täglichen Angriffen auf unseren Rechtsstaat“.
Kirche hat Existenzberechtigung als „Kirche für andere“
Angesichts dieser Herausforderungen, des Klimawandels, und der wachsenden Gräben in der Gesellschaft hält es Hennefeld für die Kirchen für unangebracht, „sich zu intensiv mit sich selbst zu beschäftigen und Nabelschau zu betreiben bei aller Notwendigkeit, Klärungsprozesse herbeizuführen und Strukturen zu verändern“. Die Kirche habe ihre Existenzberechtigung „als Kirche für andere, für die Menschen in unseren Gemeinden aber auch darüber hinaus, für das Einstehen von anderen Minderheiten, in Solidarität mit verfolgten Christinnen und Christen aber auch mit anderen, die verfolgt werden aufgrund ihres Glaubens oder der politischen Einstellung“.
Getröstet, getragen und geliebt
Nichtsdestotrotz ruft Hennefeld in Anspielung auf die Sicherheitsmaßnahmen während der Coronapandemie dazu auf, die „3G“ nicht zu vergessen: „Wir sind getröstet, getragen und geliebt von unserem barmherzigen Gott – getröstet in Trauer und Traurigkeit, getragen, wenn es nicht mehr weitergeht, geliebt, immer und überall.“