Was macht der Hahn auf der Kirche?

 
von Evangelischer Pressedienst

Julia Schnizlein über einen Totalversager

„Warum sitzt auf dem Dach des Stephansdoms eigentlich ein Hahn?“, hat mich neulich meine Tochter gefragt. Gute Frage. In meiner Schulzeit in Bayern habe ich gelernt, dass man grundsätzlich die Konfession einer Kirche anhand der Turmbekrönung erkennen kann: Römisch-katholisch – Hahn, evangelisch – Kreuz. Stimmt aber nicht ganz, denn in einigen Gegenden vor allem im Norden Deutschlands oder in der Schweiz ist es genau umgekehrt. Einige Kirchen haben beides und manche evangelischen Kirchen ziert wiederum ein Schwan – das Symbol für den Reformator Martin Luther. Als Unterscheidungsmerkmal taugt der Gockel also weniger.

Der erste belegte Kirchen-Hahn ist ohnehin viel älter als die Reformation. Im Jahr 820 soll der Bischof von Brescia ihn auf seinem Turm angebracht haben. Der Hahn steht für den Morgen und damit für die Auferstehung. Er ist der erste, der das Ende der Nacht ankündigt. So haben die ersten Frauen und Männer am frühen Morgen das leere Grab von Jesus entdeckt. Der Schrei des Hahns ertönt mit der Erkenntnis: „Jesus ist auferstanden, Dunkelheit und Tod sind besiegt!“

Eng verwoben ist der Hahn natürlich auch mit Petrus. Kurz vor seinem Tod prophezeit Jesus dem Petrus, dass er ihn drei Mal verleugnen wird – und zwar noch ehe der Hahn kräht. Und so kommt es auch: Jesus wird gefangen genommen, Petrus wird gefragt, ob er zu ihm gehört, streitet es dreimal ab und anschließend kräht der Hahn. Aus Angst und Opportunismus dreht sich Petrus nach dem Wind – wie der Hahn auf dem Kirchturm.

Das Schöne ist, dass das nicht das Ende der Geschichte ist. Denn auch wenn Petrus (übersetzt „Fels“) sich mit dieser Hahn-Geschichte alles andere als standhaft, sondern eher als flatterhaft und wankelmütig erwiesen hat, hatte Jesus ihn zum Chef bestimmt: „Du bist Petrus, und auf diesen Felsen will ich meine Kirche bauen.“ Rückblickend eine kluge Personalentscheidung, immerhin existiert die christliche Kirche in all ihrer Vielfalt seit mehr als 2000 Jahren.

Der Hahn sagt uns also auch: Ein Totalversagen in gewissen Situationen muss noch lange nicht das Ende bedeuten. Es ist nie zu spät, einen neuen Weg einzuschlagen und es besser zu machen. Außerdem hat Gott wohl ein Faible für Versager.

Folgen Sie Julia Schnizlein auch auf Instagram:
@juliandthechurch

Weitere Artikel

Nach Oben