Tirol: Religionen gedenken Coronaopfer und beten für Frieden
Dantine: „Frieden zum Preis von Sicherheit und Bequemlichkeit ist kein Frieden“
Innsbruck (epdÖ) – Mit einem Gedenken an die Tiroler Opfer der Coronapandemie zu Silvester und einem Friedensgebet zu Neujahr haben die Tiroler Kirchen und Religionsgemeinschaften den Jahreswechsel begangen. Am Donnerstag, 31. Dezember, leuchteten 476 Kerzen am Innsbrucker Landhausplatz für ebenso viele bislang in Tirol an Covid-19 Verstorbene. Genauso sollten die Lichter an diejenigen erinnern, die nicht an Corona verstorben seien, deren Verabschiedung aber wegen der Auflagen für Begräbnisse nur eingeschränkt stattfinden konnte. Das teilte die römisch-katholische Diözese Innsbruck, die das Gedenken gemeinsam mit dem Land Tirol initiiert hatte, in einer Aussendung mit.
Bei der Veranstaltung, die nicht öffentlich stattfand, sprachen mehrere Vertreter aus verschiedenen Gesellschaftsbereichen wie Religion, Wissenschaft, Politik oder Medizin, ihre Neujahrswünsche aus. Der evangelische Superintendent von Salzburg und Tirol Olivier Dantine rief in seinen Grußworten in Erinnerung, dass hinter den nackten Zahlen von Coronafällen und -toten immer persönliche Schicksale stünden: „Der Jahreswechsel ist eine gute Gelegenheit, unsere Verbundenheit mit all jenen zu zeigen, die durch die Pandemie einen geliebten Menschen verloren haben. Gleichzeitig soll der Ausblick in das neue Jahr in der Hoffnung geschehen, dass diese Pandemie mit all ihren direkten und indirekten Folgen in einem solidarischen Miteinander bewältigt werden kann.“ Für das zu Ende gehende Corona-Jahr 2020 sei „das Konto des Unabgeschlossenen und Unbewältigten noch zu groß“, hielt der römisch-katholische Bischof Hermann Glettler fest. Mit der Gedenkfeier wolle man das Offen-Gebliebene benennen und auch der Trauer Platz einräumen, so Glettler. Der Tiroler Landeshauptmann Günther Platter (ÖVP) versicherte den Trauernden: „Ihr seid nicht allein.“
Botschaft für den Frieden am Neujahrstag
Am Neujahrstag kamen vor der Innsbrucker Spitalskirche Religionsvertreter und Repräsentanten der Politik zu einer interreligiösen Kundgebung für den Frieden zusammen. Die Veranstaltung fand nicht öffentlich statt, wurde aber auf Radio Maria übertragen. Botschaften für den Frieden verlasen der Innsbrucker Diözesanbischof Hermann Glettler, der evangelische Superintendent Olivier Dantine, Günter Lieder und Emil Chamson, Präsident und Vizepräsident der Israelitischen Kultusgemeinde, der Obmann des Islamischen Forums, Hajret Beluli, der römisch-katholische Theologe Wolfgang Palaver und der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi (Grüne). In der römisch-katholischen Kirche wird der 1. Jänner seit 1968 als Weltfriedenstag begangen.
Superintendent Dantine griff in seinem Statement die Frage „Wie wird Friede?“ des evangelischen Theologen Dietrich Bonhoeffer auf: „Frieden wird nicht, wenn wir aus Europa eine sichere Festung machen, die Schutzsuchende an ihren Grenzen unter unmenschlichen Bedingungen in ihrer Perspektivlosigkeit festhält. In Lagern, in denen Kinder im Schlaf von Ratten gebissen werden“, erinnerte er an die Situation im Flüchtlingscamp Kara Tepe auf Lesbos. „Ein Frieden zum Preis von Sicherheit und Bequemlichkeit, ein Frieden in der Illusion, dass wir das Leid der Welt aus unserer Idylle heraushalten können, ist kein Frieden“, so Dantine.
Bischof Hermann Glettler nahm Bezug auf den Aufruf Papst Franziskus’ zu erhöhter Achtsamkeit: „Achtsamkeit ist die Voraussetzung für jeden Friedensweg. Achtsamkeit ist eine Hygiene im eigenen Herzen.“ Für die Israelitische Kultusgemeinde appellierten Präsident Lieder und Vizepräsident Chamson angesichts der Lage in den Flüchtlingslagern am Rande Europas, „nicht nichts tun, weil wir nicht alles tun können“. Man müsse „hin zu einer neuen Art des Handelns, die die eigene und die Verletzlichkeit des anderen in den Blick nimmt“. Der Obmann des Islamischen Forums, Hajret Beluli, betonte, Religionen seien verpflichtet, sich für Frieden und Solidarität unter Menschen einzusetzen. Der Koran mache klar: „Wer einen Menschen tötet, tötet die ganze Menschheit. Wer einen Menschen rettet, rettet die ganze Menschheit.“
Auch der Theologe und Präsident von Pax Christi Wolfgang Palaver schloss sich dem Aufruf Papst Franziskus’ an uns alle an, „Propheten einer Kultur der Achtsamkeit zu werden“. 2021 sollten alle als Friedensstifter zu einer Kultur der Sorge um die Schwächsten in der Gesellschaft beitragen. Der Innsbrucker Bürgermeister Georg Willi zitierte den chinesischen Philosophen Lao Tse: „Damit es Frieden in den Städten gibt, müssen sich die Nachbarn verstehen. Damit es Frieden zwischen Nachbarn gibt, muss im eigenen Haus Frieden herrschen. Damit im Haus Frieden herrscht, muss man ihn im eigenen Herzen finden.“