Still und unerkannt
Michael Chalupka über einen, der uns bei der Hand nimmt
Es ist die Zeit des schwachen Gesangs. Zum einen sind die Stimmen eingerostet nach der langen Zeit des Singverbots in den Kirchen, der Chöre und auf den Fußballplätzen, zum anderen sind nur wenige Personen erlaubt bei den weihnachtlichen familiären Zusammenkünften. Weihnachten ist ja sonst einer der seltenen Anlässen, bei denen noch gemeinsam gesungen wird, alle Jahre wieder.
So beginnt auch eines meiner Lieblingslieder: „Alle Jahre wieder kommt das Christuskind auf die Erde nieder, wo wir Menschen sind.“ In der dritten Strophe heißt es: „Ist auch mir zur Seite still und unerkannt, dass es treu mich leite an der lieben Hand.“
Das ist eine schöne Vorstellung. Dass da jemand kommt, ganz still und unerkannt, der an meiner Seite bleibt. Den kann ich brauchen, gerade jetzt, wo mich so vieles bewegt. Die Bedrohung durch das Virus, die Trauer um die Verstorbenen, die Hoffnung auf Erleichterung im neuen Jahr durch die Impfung, die Verunsicherung durch immer sich überschlagende Nachrichten.
Das Lied singt von einem, der in der Weihnacht kommt und bleibt, still und unerkannt. Der sich nicht in den Vordergrund drängt und große, mächtige Töne spuckt. Der uns einfach an der Hand nimmt. Das mag eine naive, kindliche Vorstellung sein, aber eine, die mir gerade jetzt gut tut. Gott kommt in dieser Nacht, bleibt bei mir und nimmt mich bei der Hand. Und seine Hand ist leicht und sanft, die zarte Hand eines Kindes.