Vor Wien-Wahl: Superintendent Geist befragte Parteien

Überblick über Haltungen zu Sonntagsöffnung, Religionsunterricht oder Karfreitag

 
von Martina Schomaker
„Ich erwarte mir, dass die politisch Verantwortlichen viele ihrer genannten Ziele nicht nur als Lippenbekenntnisse formulieren, sondern gemeinsam in die Tat umsetzen werden“, sagt Superintendent Matthias Geist. Foto: pixabay
„Ich erwarte mir, dass die politisch Verantwortlichen viele ihrer genannten Ziele nicht nur als Lippenbekenntnisse formulieren, sondern gemeinsam in die Tat umsetzen werden“, sagt Superintendent Matthias Geist. Foto: pixabay

Wien (epdÖ) – Unmittelbar vor den Wiener Gemeinderatswahlen am Sonntag, 11. Oktober, hat sich der Wiener Superintendent Matthias Geist an die kandidierenden Parteien gewandt und sie um Statements zu den Themenfeldern Sonntagsöffnung, Religions- und Ethikunterricht, soziale Chancen für Benachteiligte sowie Klimaschutz und Nachhaltigkeit gebeten. „Ich erwarte mir, dass die politisch Verantwortlichen viele ihrer genannten Ziele nicht nur als Lippenbekenntnisse formulieren, sondern gemeinsam in die Tat umsetzen werden“, kommentierte Geist die eingelangten Antworten, die dem Evangelischen Pressedienst für Österreich vorliegen. In den Antworten entdecke er Chancen eines stärkeren „Bewusstseins für Nachhaltigkeit“, und verleiht der Hoffnung Ausdruck, dass den Worten Taten folgen. Soziale Verantwortung für andere sei mehr denn je nötig, insbesondere für „benachteiligte, leistungsschwächere und an den Rand der Gesellschaft gedrängte Menschen“, so Geist.

Zu den Antworten auf den Stellenwert religiösen Lebens in der Großstadt äußerte sich der Superintendent eher besorgt. So erkenne er im Zusammenhang mit der Sonntagsöffnung „wirtschaftliche Interessen im Vormarsch, die über das Gemeinwohl gestellt werden könnten“. Den Religionsunterricht sehe er immer mehr in den Hintergrund gedrängt gegen einen „vermeintlich neutralen Ethikunterricht“. Geist ruft die Wiener Evangelischen auf, an den Wahlen teilzunehmen, und hofft „auf ein gute und klare Gewissensentscheidung aller Wählerinnen und Wähler“.

Hier bieten wir Ihnen einen kurzen Überblick über die Antworten. Die vollständigen Statements finden Sie unten über die Linksammlung. Angefragt wurden alle neun in allen Bezirken kandidierenden Parteien. Rückmeldungen kamen von SPÖ, FPÖ, Grünen, ÖVP, NEOS, LINKS und SÖZ.

SPÖ

Die SPÖ versteht den freien Sonntag als wichtigen Tag für gemeinsame Aktivitäten und Ehrenämter. Der Karfreitag hätte allen Menschen als Feiertag ermöglicht werden müssen, so die Bürgermeisterpartei. Auf die Frage nach der Verantwortung für Benachteiligte verweisen die Sozialdemokraten insbesondere auf die Wiener Kinder- und Jugendhilfe, die Angebote zu Beratung, Prävention und Schutz für Kinder und Jugendliche anbiete. Die Auseinandersetzung mit ethischen Fragen solle allen Kindern in einem eigenen Fach ermöglicht werden, „unabhängig davon, ob ein Kind den Religionsunterricht besucht oder nicht“. Zudem sei es Ziel, Wien zur ersten klimaneutralen Stadt zu machen, dabei solle Klimaschutz allen zugute kommen und sozial ausgewogen sein.

FPÖ

Die FPÖ spricht sich in ihrem Statement gegen eine generelle Sonntagsöffnung aus, da dieser Tag „der Familie gewidmet ist“. In Sachen Karfreitag sieht sie die Schuld bei der Arbeiterkammer, die „durch das Anrufen der Höchstgerichte bedauerlicherweise die Büchse der Pandora geöffnet“ habe. Die Partei plädiert dafür, „den Import an Armut aus dem Ausland zu stoppen“, und dadurch freiwerdende Ressourcen benachteiligten Wienerinnen und Wiener zur Verfügung zu stellen. Der Religionsunterricht habe immer „zu identitätsstiftenden, österreichischen Werten wertvoll beigetragen“, den Ethikunterricht solle es als zusätzliches Angebot geben. Umweltschutz versteht die FPÖ als „Heimatschutz“, man setze dabei aber auf „Hausverstand“ und wirtschaftliche Vertretbarkeit.

Die Grünen

Die Grünen plädieren für die Beibehaltung des arbeitsfreien Sonntags, da eine Neuregelung vor allem Frauen betreffen und zu vermehrtem Verkehrsaufkommen führen würde. Für Benachteiligte sieht die Partei das Wiener Modell der Mindestsicherung als „Schritt in die richtige Richtung“, der allerdings verbesserungswürdig sei, insbesondere in puncto Bürokratie. Ethikunterricht, Demokratiebildung und Medienkompetenz sollten als „generelle Aufgabe der Schule und damit als Teil einer umfassenden Schulbildung verankert werden“. Treibhausgasemissionen seien bis 2030 zu halbieren, was etwa durch ein kostenloses Öffi-Ticket sowie den Ausbau von öffentlichen Verkehrsmitteln und Radwegen geschehen soll.

ÖVP

Für die ÖVP entspricht die gegenwärtige Karfreitagsregelung den Gleichheitserfordernissen des EuGH, sie verweist auf die Möglichkeit eines persönlichen Feiertags. Eine verbesserte Lebenssituation für armutsgefährdete Menschen will die Volkspartei über eine „Entfesselung der Wirtschaft“, höhere „soziale Treffsicherheit“ etwa bei der Wohnungsvergabe oder eine Reform der Mindestsicherung erreichen. Der Ethikunterricht solle nur für jene Schülerinnen und Schüler verpflichtend sein, die keinen Religionsunterricht besuchen. Das Thema Klimaschutz adressiert die ÖVP unter dem Gesichtspunkt der „ökosozialen Marktwirtschaft“, die auf der christlichen Soziallehre fuße. Konkret sei dabei etwa Photovoltaik großflächig auszubauen.

NEOS

Die NEOS sprechen sich für eine „Flexibilisierung der Ladenöffnungszeiten“ aus, solange dadurch die öffentliche Ruhe nicht gestört werde und bestehende Rechte für Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer gewahrt bleiben. Die gegenwärtige Karfreitagsregelung lehnt die Partei wegen rechtlicher Unsicherheiten und bürokratischer Hürden ab und regt einen Tausch von Karfreitag und Pfingstmontag an. Als wirksamstes Mittel gegen Armut nennen die NEOS Bildung, zudem brauche es für armutsgefährdete Personen Unterstützung für die Reintegration am Arbeitsmarkt. Die NEOS fordern ein verpflichtendes Schulfach „Ethik und Religionen“, um „das Gemeinsame zu kultivieren und vor das Trennende zu stellen“. In Sachen Klimaschutz plädiert die Liste für nachhaltige Entwicklung, die „ein Zusammenspiel aus Wirtschaft, Forschung und Umweltschutz“ sei.

LINKS

Für die Liste LINKS muss der freie Sonntag als Zeit für Freunde und Familien verteidigt werden. „Im Sinne der Arbeitszeitverkürzung“ spricht sich die Partei dafür aus, den Karfreitag zum Feiertag für alle zu erklären. Im Sozialbereich fordere man ein bedingungsloses Grundeinkommen von 1500 Euro und einen Mindestlohn von 1950 Euro bei einer Arbeitszeit von 30 Stunden pro Woche. Ethikunterricht werde „größerem Wert“ beigemessen als dem konfessionellen Religionsunterricht. In der Oberstufe sei dieser aber als Wahlfach denkbar, er dürfe aber nicht „vereinnahmend und wertend“ sein. Der Klimawandel lasse sich nicht durch „ein verändertes Verhalten einzelner „ aufhalten, es brauche vielmehr „strukturelle Änderungen in unserem Verhältnis zur Natur“. So sollen etwa Konzerne mit großem Ressourcenverbrauch vergesellschaftet werden.

SÖZ

Das SÖZ (Soziales Österreich der Zukunft) lehnt eine generelle Sonntagsöffnung ab, da es „in einer täglich hektischeren Gesellschaft notwendig ist einen Tag in der Woche zu haben, in der der Geist entspannen kann“. Die Diskussion um den Karfreitag solle ausgeweitet werden etwa auf muslimische oder jüdische Feiertage. Gegen Armutsgefährdung schlägt SÖZ die Einführung einer 30-Stunden-Woche, ein bedingungsloses Grundeinkommen, sowie einen Mindestlohn vor. Der konfessionelle Religionsunterricht sei eine gute Errungenschaft, der Ethikunterricht nicht als Ersatz zu verstehen, sondern als Pflichtfach für alle einzuführen. Nachhaltigkeit will die Liste über eine „Kreislaufwirtschaft“ realisieren, in der mehr geteilt und weniger besessen wird. Zudem gelte es, die Energieversorgung zur Gänze auf erneuerbare Energien umzustellen.

Hier finden Sie alle Stellungnahmen im vollen Wortlaut.

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