Moria: Theologe Körtner fordert „engagierte Vernunft“
Gefühle keine Grundlage für ethisch und politisch durchdachtes Handeln
Wien/Graz/Lesbos (epdÖ) – Zu einer „engagierten Vernunft“ hat der evangelische Theologe und Ethiker Ulrich Körtner angesichts der hitzig geführten Debatte über die Aufnahme von Flüchtlingen aus dem abgebrannten Camp Moria aufgerufen. In einem Gastbeitrag für die Kleine Zeitung vom Samstag, 19. September, fordert Körtner „eine rationale Politik, die sich nicht allein von Gruppeninteressen und Machtstreben leiten lässt, sondern auch von moralischen Erwägungen“. Gefühle spielten in der Politik zwar eine wichtige Rolle und würden in ihr auch gezielt eingesetzt. Sie genügten aber nicht als Grundlage für ethisch und politisch durchdachtes Handeln: „Man kann von Mitleid überwältigt und handlungsunfähig werden. Man kann auch aus Mitleid das Falsche tun.“
Äußerungen, wie die von Außenminister Alexander Schallenberg, der gemeint hatte, ein „Geschrei nach Verteilung“ könne nicht die Lösung in der Flüchtlingsfrage sein, versteht Körtner dabei als „eines Regierungsmitgliedes unwürdig“. Die Grünen wiederum stünden als Koalitionspartner der ÖVP vor dem Dilemma, zwar ihre Überzeugungen vertreten zu wollen, aber auch Verantwortung für das Bestehen einer Regierung übernehmen zu müssen – mit einem Koalitionsbruch sei den Flüchtlingen auch nicht geholfen.
„Vor diesem Dilemma stehen nicht nur die Grünen, sondern wir alle gemeinsam in der Flüchtlingspolitik.“ Körtner plädiert dafür, eine begrenzte Zahl von Flüchtlingen aus den Lagern auf Lesbos in Österreich aufzunehmen, „ohne darum einen restriktiven Kurs in der Migrationspolitik aufzugeben“. Österreich könne so einen konstruktiven Beitrag zu einer überfälligen gesamteuropäischen Flüchtlingspolitik leisten, „statt weiter diejenigen Staaten zu bestärken, die sich jeder gemeinsamen Lösung durch Abschottung verschließen“.