Pfarrerinnen und Pfarrer untersuchten Beziehung von Beten und Handeln

 
von Evangelischer Pressedienst

Theologin Harasta: Gebet hat politische Verantwortung und Wirkung

Grundlsee (epdÖ) – Dem Beten und Handeln sowie dem Gebet selbst als Handlung widmeten sich die Referentinnen und Referenten bei der diesjährigen Pfarrerinnen- und Pfarrertagung der evangelischen Kirchen am steirischen Grundlsee. Wegen der Coronakrise fand die Veranstaltung von 31. August bis 3. September unter besonderen Auflagen statt. Ins Ausseerland gekommen waren dennoch rund 120 Gäste.

Die evangelische Theologin und Pfarrerin Eva Harasta – seit September theologische Referentin von Bischof Michael Chalupka – ging in ihrem Referat verschiedenen Typologisierungsversuchen des Gebets nach, um dann die Frage nach dem politischen Charakter des Gebets zu stellen. Als häufiges Argument gegen die politische Funktion des Betens zog Harasta dabei das Matthäusevangelium heran, das dazu rät, zum Beten ins Zimmer zu gehen und die Türe zu schließen (Mt 6,6). Luthers Lehre von den zwei getrennten Reichen – dem Reich Gottes und der Welt – scheine diese Position zu bekräftigen.

Dem allerdings hielt Harasta das Magnificat entgegen, in dem Maria sich dankend an Gott wendet: Es sei ein „durch und durch politisches Gebet“, „die allererste Reaktion auf die nahende Ankunft Jesu“, gewissermaßen „ein Sturm in der stillen Kammer“. Harasta interpretierte so das Gebet als widerständigen Akt, der sich gängigen Machtstrukturen widersetze: „Es vertraut auf Gottes Gerechtigkeit, auf Gottes Anteilnahme, auf Gottes Hilfe und Schutz.“ Selbst wenn man glaube, unpolitisch zu beten, habe das Gebet politische Verantwortung und Wirkung. Sein politischer Einsatz sei dabei aber historisch häufig ins Negative verkehrt worden; wesentliches Kriterium zu seiner Beurteilung müsse daher der Einsatz für die Schwachen und die Unterscheidung der eigenen politischen Position von der Gerechtigkeit Gottes sein. „Und als Drittes: Vertraut das Gebet Gott mehr als den Menschen, stellt es also das eigene politische Urteil unter den Vorbehalt ‚Dein Wille geschehe‘?“ Nur zu beten reiche dabei aber nicht: Wer politisch bete, müsse sich auch fragen lassen, ob Handeln und Beten tatsächlich in Übereinstimmung miteinander stünden.

Zürcher-Allenbach: Beten ist ein Lebensstil

In seinem Vortrag über die „formative Dimension des Gebets“ skizzierte der Schweizer methodistische Pfarrer Stefan Zürcher-Allenbach Beten als ein „Gnadenmittel“, „das heißt eine christliche Praktik, die Gott gebraucht, um den Betenden seine Gnade zu vermitteln, eine Praktik, durch die Gott sich den Betenden zur Erfahrung bringt, durch die Gott die Betenden transformiert und ermächtigt, seine Partner bei der Neuschöpfung des Kosmos zu sein“. Beten bilde in einem lebenslangen Formierungsprozess die christliche Existenz einer Person.

Zürcher-Allenbach unterstrich dabei vier Wesensmerkmale des Gebets: Die Selbstzwecklichkeit als „Suche des Lebens Gottes“, die Transformativität als „Erwartung der verwandelnden und formenden Gegenwart seines Geistes“, die „Koinonizität“ als „Eingebundensein und die Teilhabe des einzelnen Glaubenden an Gottes Neuschöpfung, die die ganze Menschheit und den ganzen Kosmos umfasst“, und die Kooperativität als „die Verantwortung jedes Glaubenden hinsichtlich seiner Berufung zur Mitwirkung an der kosmischen Neuschöpfung“. Beten sei dabei nicht so sehr ein Verhalten oder Tun, sondern ein Lebensstil. „Und es ist nichts Abgehobenes, sondern etwas ganz Konkretes und Praktisches. Es geht um unseren Alltag mit all seinen Herausforderungen in Familie, Beziehungen, Beruf, Gemeinde, Freizeit.“

Todjeras: „Zukunftsfragen der Kirche sortiert und strategisch angehen“

Das Projekt „Zukunftsfähige Kirche“ präsentierte Patrick Todjeras, theologischer Referent der Evangelischen Kirche A.B., zum Abschluss der Tagung. Gegenüber dem Evangelischen Pressedienst entwarf Todjeras – selbst Pfarrer – die Grundrisse des Projekts, das im Herbst 2019 entstanden war, „um die Zukunftsfragen der Kirche sortiert und strategisch anzugehen“. Die Problemlage dabei sei bekannt, etwa der Rückgang der Identifikation mit dem evangelischen Leben und seinen Angeboten oder der Mangel an Pfarrerinnen und Pfarrern. Zugleich wolle das Projekt nicht beim Blick auf Mängel in der Kirchenstruktur stehenbleiben. Vielmehr brauche es eine Vision, der Strukturreformen folgen könnten. Innovative Unternehmen würden nicht so sehr ihr Produkt kommunizieren oder was sie von anderen unterscheidet, sondern den Grund ihrer Existenz, ihr „Warum“. Einer Einstellung, die kirchliches Leben einfach so weiterführen wolle wie bisher, nur eben mit weniger Mitteln, steht Todjeras kritisch gegenüber, „weil Kirche in einem zunehmend komplexen und unübersichtlichen Gelände lebt und etwas vorsichtiger mit ‚fertigen Antworten‘ sein sollte.“ Ein Signal des Projekts müsse es jedenfalls sein, einen Prozess vorzuschlagen, „der die Ebene gemeindlichen Lebens und geistlicher Orte stärkt“.

Besondere Vorsichtsmaßnahmen

Aufgrund der anhaltenden Coronakrise hatten die Veranstalter für die Tagung ein umfassendes Coronakonzept entwickelt. Stühle wurden möglichst weit auseinandergerückt, Spender mit Desinfektionsmitteln aufgestellt, die Fenster in den Vortragssälen blieben geöffnet, auch das Programm für die rund 40 Kinder wurde entsprechend angepasst.

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