Glaubensfrage

Niemand hat größere Liebe

"Gott befreit uns aus den Händen der Götter durch Gott wurde die Welt entgöttert." Trostfroh möchte man diesen Merksatz aus Hoffnung und Mut von Carl Friedrich von Weizäcker hineinrufen in eine nach sich selbst süchtig gierende Menschheit mit ihren egomanischen Vergötterungen, titanisch nach sich selbst strebend ohne Halt und Ende und ohne ein Ziel, es sei denn die endlose Wiederholung einer Ich-Bestätigung, deren Ikonen in einer tödlichen Politik zu orten sind. Ihren Versprechen folgt weltweit immer das Verbrechen. Wie einsam muss ein Mensch sein, dass er keinerlei Alternative zur Macht in sich verspürt?

So unausweichlich es scheint, so schmerzhaft es ist, ist es wahr: Widergespiegelt wird ein zutiefst entfreundetes Menschsein, das "aus dem Leeren in Leere, aus dem Nichts ins Nichts" lebt. Denn, so fragt der dialektische Theologe Friedrich Gogarten: Wie will der Mensch, "der aus sich selbst leben muss, die unendliche grenzenlose Welt mit seinem Leben und Sinn erfüllen"?

Die Entgötterung der Welt durch Gott indes geschah und geschieht, um alles in sich selbst verlorene Leben heimzuholen ins Herz der Welt. Macher machen, was aber bleibt, stiften die Liebenden. Und niemand hat so auf Macht verzichtet und niemand hat je so grundlos vertraut und so sehr geliebt: "Niemand hat größere Liebe als der, der sein Leben lässt für seine Freunde." Incarnatus est -von immer zu immer. Unaufhaltsam für dich und alles Leben und dich ermöglichend für das neue Sein. Deine Liebe wäre und ist das Wunder der Annahme, dass das ganz Andere, das mir zuweilen verborgene Gegensätzliche meines Daseins, meinen Willen, mein Denken und mein verwirrtes Herz ordnet, mich zu meinem verloren geglaubten Seinsgrund führt - und mich befähigt, in diesem wunderbaren Niemand endlich weltbefreundet zu werden.

Text: Ines Charlotte Knoll, sie ist freischaffende evangelische Pfarrerin und lebt in Wien. Erschienen ist die Kolumne am 27. August in der Wochenzeitung DIE FURCHE (www.furche.at).

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