Im Gedenken

 
von Evangelischer Pressedienst

Maria Katharina Moser über den Raum, den Trauer braucht

Dieser Tage haben wir uns von Gundi verabschiedet. „Dein gutes Herz hat aufgehört zu schlagen“, steht auf ihrer Parte. Es hat zu früh aufgehört zu schlagen. Gundi war 56 Jahre alt. Heutzutage kein Alter. Nach über zwei Jahren hat sie den Kampf gegen den Krebs verloren.

Ihre Herzensgüte, die hat sie nicht verloren in diesem Kampf. Im Gegenteil. Für die erste Runde Chemotherapie musste Gundi mehrere Wochen ins Krankenhaus. Es waren schwere, harte Wochen. Bei einem Besuch hat sie mir von einer alten Dame im Nebenzimmer erzählt: „Weißt du, sie hat Demenz. Sie irrt oft weinend am Gang herum und findet nicht mehr in ihr Zimmer. Sie versteht nicht, wo sie ist. Sie tut mir so leid. Ich sag ihr, sie soll sich zu mir setzen, und rede ein bisschen mit ihr, bis sie sich beruhigt hat. Dann rufe ich die Krankenschwester, damit sie sie wieder zurückführt in ihr Zimmer.“ Dass Gundi, während sie selbst um ihr Leben ringt, die Aufmerksamkeit und die Kraft aufbringt, sich zu sorgen um diese Frau, die sie gar nicht kennt, die ihr zufällig begegnet, hat mich tief berührt.

Wie viele in meiner Pfarrgemeinde, habe ich Gundi ins Herz geschlossen. Dankbarkeit für Gundi und für die Begegnungen mit ihr ist spürbar bei der Abschiedsfeier. Doch die Trauer überwiegt. Über die Trauer bin ich ins Gespräch gekommen mit Gundis Tante Lili. Sie schmerzt, dass die Nichte vor ihr gegangen ist. „Sie kommt in mein Grab“, sagt Lili, „ich hätte da zuerst rein müssen.“ Die Reihenfolge der Generationen ist durcheinander geraten. Das fühlt sich einfach falsch an. Auch wenn man weiß, dass Gundi Schlimmeres erspart geblieben ist. Bevor der Krebs ihre Lebensfreude auffressen konnte, ist Gundi friedlich in ihrer Wohnung eingeschlafen. „Ich weiß ja, dass es so besser war für sie“, sagt Lili. „Ich weiß, dass sie keine Schmerzen mehr haben muss und dass sie es jetzt gut hat. Ich reiß mich eh zusammen. Aber ich bin einfach so traurig.“

Lili darf traurig sein. Sie hat einen geliebten Menschen verloren. Ja, es stimmt wohl, dass es für Gundi so besser war. Und ja, als Christen und Christinnen dürfen wir glauben, dass sie es gut hat, dort wo sie jetzt ist, bei Gott. Aber der Tod hat eine Beziehung auseinandergerissen. Zu einer Beziehung gehören immer zwei. Die eine hat es jetzt gut. Das ist trostvoll für die andere. Trotzdem: Die, die gehen musste, fehlt ihr. Die Trauer darüber braucht Raum.

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