AmberMed: Armut birgt hohes Gesundheitsrisiko für Kinder
Insgesamt 27.000 Menschen in Österreich ohne Versicherung
Wien (epdÖ) – Rund 27.000 Menschen in Österreich sind nicht krankenversichert. Viele davon sind Kinder. Auf die besonders prekäre Situation minderjähriger Unversicherter weisen Diakonie Österreich und die Gesundheitseinrichtung AmberMed hin, die Beratung und Versorgung für Menschen ohne Versicherung anbietet. Diakonie-Sozialexperte Martin Schenk nahm bei einem Pressegespräch am Mittwoch, 19. Februar, insbesondere politische Verantwortungsträger in die Pflicht: „Wer die Situation von armen Kindern verschlechtert, der verschlechtert auch die Gesundheitssituation im Land.“ Menschen und Kinder in Armut hätten ein mehrfaches Risiko zu erkranken, zum einen durch höhere gesundheitliche Belastungen etwa in feuchten Wohnungen, zum anderen durch schlechtere Erholungsmöglichkeiten, fehlende Gesundheitsversorgung und mangelndes gesundheitsförderndes Verhalten wie gesunde Ernährung. „Man kann einen Menschen mit einer feuchten Wohnung genauso töten wie mit einer Axt“, so Schenk, der auch den volkswirtschaftlichen Nutzen einer adäquaten Gesundheitsversorgung hervorhebt: Schon eine kleine Verletzung, die unbehandelt bliebe, würde in weiterer Folge bis zu siebenmal höhere Kosten verursachen als eine rasche Behandlung.
Einrichtungsleiterin Spak: 130.000 Euro fehlen
Viele der Menschen, die ohne Krankenversicherung leben, seien noch gar nie versichert gewesen, erläuterte Einrichtungsleiterin Carina Spak, viele würden aber auch nur zwischenzeitliche Versorgungslücken aufweisen. Für Kinder, die im Regelfall mit ihren Eltern mitversichert sind, bedeutet das: Haben die Eltern keine Versicherung, haben sie auch keine. Bei AmberMed betraf das im vergangenen Jahr 485 Jugendliche unter 18 Jahren – fast 200 davon waren unter 6 Jahre alt. Insgesamt seien 3.312 Patientinnen und Patienten behandelt worden, so die Sozialarbeiterin Spak, die auch auf die unzureichende Finanzierung der Einrichtung hinwies. Rund 130.000 Euro sollten Fördergeber zusätzlich zur Verfügung stellen: „Spenden und Stiftungsgelder sollten dann für die Ermöglichung zusätzlicher Leistungen genutzt werden.“
Ärztliche Leiterin Matal: Bis zu 6.000 Euro für eine Geburt
Konkrete Beispiele, vor welche Herausforderungen eine fehlende Krankenversicherung stellt, brachte die ärztliche Leiterin von AmberMed, Monika Matal, selbst Gynäkologin. So würden manche Krankenhäuser unversicherten Frauen Geburten für etwa 900 Euro anbieten. Dieses Angebot sei aber kontingentiert und komme nicht an den Bedarf heran: Im Regelfall werde, wer unversichert in einem Krankenhaus ein Kind bekommt, wie eine Privatpatientin behandelt, was bei einem Kaiserschnitt bis zu 6.000 Euro koste.
Ärztekammerpräsident Szekeres: Orientierung an der Schweiz
Einen allgemeinen Ausbau des österreichischen Gesundheitswesens forderte Ärztekammerpräsident Thomas Szekeres vor dem Hintergrund von 400.000 in Armut lebenden oder armutsgefährdeten Kindern in Österreich: „Wir wissen, dass sie kränker sind und werden.“ Szekeres führte als Orientierungsbeispiel die Schweiz an, die acht Milliarden Euro mehr für Gesundheit aufwende als Österreich. Tatsächlich belief sich 2017 der Anteil der Gesundheitsausgaben am Bruttoinlandsprodukt in Österreich auf 11,2 Prozent, in der Schweiz waren es 12,4 Prozent.
Die Versorgungs- und Beratungseinrichtung AmberMed in Wien-Liesing wird vom Diakonie-Flüchtlingsdienst getragen. Kooperationen bestehen unter anderem mit dem Roten Kreuz, dem Hebammenzentrum oder der Wiener Tafel. Finanziert wird die Einrichtung durch Förderungen in Höhe von 262.000 Euro, dazu kommen unentgeltlich erbrachte Leistungen und Sachspenden im Wert von 736.000 Euro.