Hennefeld: Bilanz zum Abschied vom ÖRKÖ-Vorsitz
„Gelungen, in Gesellschaftspolitik mit einer Stimme zu sprechen“
Wien (epdÖ) – Eine gemischte Bilanz hat der bisherige Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld, zu seiner Amtszeit als ÖRKÖ-Vorsitzender gezogen. Hennefeld stand von 1. Jänner 2017 bis 31. Dezember 2019 dem ÖRKÖ vor. In einem auf der Website des ÖRKÖ (www.oekumene.at) veröffentlichten Interview hob Hennefeld u.a. positiv hervor, dass es öfters gelungen sei, zu gesellschaftspolitischen Fragen mit einer Stimme zu sprechen. Die Kirchen stünden für die sozial Schwachen, für Flüchtlinge und Menschen am Rand der Gesellschaft.
Im Vorfeld der EU-Wahlen im Mai 2019 hatten die Kirchen einen Leitfaden zur politischen Entscheidungsfindung veröffentlicht, in dem sie sich etwa ganz klar gegen eine „Festung Europa“ und den „Ungeist des Nationalismus“ sowie für ein offenes und demokratisches Europa, das auf den Pfeilern von Gerechtigkeit und Solidarität beruht, aussprechen. Vor den Nationalratswahlen im September 2019 veröffentlichten die Kirchen einen ähnlichen Leitfaden.
Was die Ökumene betrifft, berichtete Hennefeld von zahlreichen gelungenen ökumenischen Gottesdiensten des ÖRKÖ. Auch ein gemeinsames Symposion über jeweils unterschiedliche Zugänge zum Thema Märtyrer habe sicherlich zum gegenseitigen Kennenlernen der Kirchen beigetragen. Nachsatz: „Ganz grundsätzlich haben wir beim besseren Kennenlernen aber noch viel Arbeit vor uns.“ Es brauche sicherlich mehr Gemeinschaftserlebnisse und wohl auch neue Formen gemeinsamer Gottesdienste. Vieles sei freilich auch eine Frage der finanziellen und personellen Ressourcen, die beim ÖRKÖ kaum gegeben seien.
„Wir Christen haben jüdische Wurzeln“
Eine positive Entwicklung ortete Hennefeld bei den Beziehungen zum Judentum. In seiner Amtszeit ist auch der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit als Beobachter in den ÖRKÖ aufgenommen worden. „Das ist ein gutes und wichtiges Zeichen und trägt auch der bereits seit Jahren sehr guten Zusammenarbeit Rechnung“, sagt Hennefeld und betont: „Wir Christen haben jüdische Wurzeln, derer wir uns stets bewusst sein müssen.“ Er wolle persönlich so weit gehen, dass er mit Überzeugung jeder Art von Judenmission eine klare Absage erteile.
Wie Hennefeld im Interview weiter unterstrich, wird der ÖRKÖ auch an der Beteiligung am „Ökumenischen Begleitprogramm in Palästina und Israel“ (EAPPI) festhalten. Im Rahmen dieser Initiative des Weltkirchenrates werden Freiwillige entsendet, die sich gemeinsam mit Friedensaktivisten aus aller Welt für ein Ende der Gewalt und ein friedliches Zusammenleben von Palästinensern und Israelis einsetzen. Jedes Jahr kommen auch einige Freiwillige aus Österreich.
Skepsis gegenüber freikirchlichen Bewegungen
Kritisch äußerte sich der Landessuperintendent zu eher freikirchlichen oder auch charismatischen Bewegungen und ökumenischen Ereignissen und sprach in dieser Hinsicht u.a. das christliche Ökumene-Großevent „Awakening Austria“ im vergangenen Juni in Wien an. Besorgniserregend sind für den Ex-ÖRKÖ-Vorsitzenden Tendenzen dann, wenn der Glaube nicht zum Einsatz für die Schwachen sondern zu einer unpolitischen Haltung oder gar zu einer nationalistischen politischen Agenda führe. Trotz allem stehe er für das Prinzip, mit möglichst vielen Gruppierungen den Dialog zu pflegen, so Hennefeld.
Dem ÖRKÖ gehören derzeit 16 Kirchen an. „Volle Mitglieder“ sind Altkatholische Kirche, Anglikanische Kirche, Armenisch-apostolische Kirche, Bulgarisch-Orthodoxe Kirche, Evangelische Kirche A.B., Evangelische Kirche H.B., Evangelisch-methodistische Kirche, Griechisch-Orthodoxe Kirche, Koptisch-Orthodoxe Kirche, Römisch-Katholische Kirche, Rumänisch-Orthodoxe Kirche, Russisch-Orthodoxe Kirche, Serbisch-Orthodoxe Kirche und Syrisch-Orthodoxe Kirche. Die Äthiopisch-Orthodoxe Kirche und der Bund der Baptistengemeinden sind „Mitglieder mit beratender Stimme“. Zahlreiche Institutionen bzw. Organisationen besitzen Beobachterstatus.