Der andere Advent
Michael Chalupka über Johannes den Täufer
Wir sind im Advent, dem Ort der großen biblischen Erzählungen. Doch im ältesten Evangelium, das von Jesus berichtet, dem Markusevangelium, fehlt etwas: Da finden sich keine Geschichten von Engeln und Lämmern, kein Ochs und kein Esel, keine Hirten und Könige, ja nicht einmal das Jesuskind kommt vor. Die älteste Erzählung von Jesus lässt Weihnachten einfach aus.
Stattdessen steht ein ruppiger Gesell im Kamelhaarumhang, der sich nur von Heuschrecken und Honig ernährte, am Anfang der Geschichte. Er scharte so viele Anhänger um sich, dass sich sein König vor ihm fürchtete, ihn verhaften und sich seinen Kopf auf einem Silbertablett servieren ließ.
Johannes der Täufer war kein Mann der Besinnlichkeit und stillen Einkehr. Er war ein lautstarker Rufer in der Wüste, der Umkehr forderte und radikale Besinnung. Als äußeres Zeichen der Umkehr und Reinigung vom Falschen taufte er seine Anhänger im Jordan. Er taufte auch den, dessen Weg er vorbereitete: Jesus.
So fehlt zwar im Markusevangelium die Weihnachtsgeschichte, nicht aber der Advent. Denn der Advent ist die Zeit der Erwartung des Retters einer gefährdeten Welt. Der Advent, die Zeit der Vorbereitung, für die Johannes der Täufer steht, ist nicht die Zeit der Punschhütten und Zimtsterne, sondern der Advent der Gewissenserforschung, die Zeit der Umkehr von alten Fehlern und die Zeit des Aufbruchs aus festgefahrenen Mustern.