2018: Das Super-Wahljahr
Was für ein Jahr! Alle Gremien wurden in Wien neu gewählt - in den Pfarrgemeinden auf lokaler Ebener wie auf diözesaner, wienweiter Ebene. Sogar die Leitungspositionen wurden neu gewählt. Im Juni 2018 wurde der langjährige Gefängnisseelsorger Matthias Geist zum Superintendenten gewählt. Im Oktober wurde die Simmeringerin Petra Mandl als Superintendentialkuratorin gewählt. (Mehr dazu unter: www.evang-wien.at/leitung)
Das "Evangelische Wien" nahm Abschied von Superintendent Hansjörg Lein und Superintendentialkuratorin Inge Troch, die rund 15 Jahre gemeinsam gewirkt hatten. Hier einige Informationen zu deren Wirken:
- 2004 wurde Mag. Hansjörg Lein 2014 in sein Amt als "Superintendent" eingeführt. Wie es den gebürtigen Oberkärtner nach Wien verschlagen hat, lesen Sie hier im Artikel zum zehnjährigen Amtsjubiläum von Hansjörg Lein
- Superintendent Lein erhielt das Große Goldene Ehrenzeichen für Verdienste um die Republik Österreich, lesen Sie den Artikel zur Auszeichnung von Superintendent Lein hier
- Superintendentialkuratorin Dr. Inge Troch wurde 2015 mit dem Österreichischen Ehrenkreuz für Wissenschaft und Kunst I. Klasse ausgezeichnet. Entdecken Sie die "nicht-kirchliche" Seite der 1941 geborenen Wienerin in diesem Artikel zur Auszeichnung von Inge Troch.
- Abschied von Hansjörg Lein und Inge Troch in einem festlichen Gottesdienst im November 2018. Hier lesen Sie den Artikel zur Entpflichtung von Hansjörg Lein und Inge Troch
Jubiläumsjahr 2017: Auch ein Stück Geschichte
Das Jahr 2017 war für die Lutheraner (Kirche A.B.), Reformierten (Kirche H.B.) und Methodisten in Österreich ein besonderes Jahr. Gemeinsam feierten sie das 500-Jahr-Jubiläum der Reformation, das zurückdatiert wird auf den Anschlag der 95 Thesen von Martin Luther 1517. Aber die drei evangelischen Kirchen feierten nicht allein – weltweit wurde das Jubiläum begangen, immer gemeinsam mit allen Mitmenschen, egal ob ChristIn oder nicht. Und – das war und ist uns wichtig – wir erleben das Jubiläum im ökumenischen Geist mit unseren katholischen Brüdern und Schwestern und haben uns über alles Konfessionsverbindende gefreut.
Weitere Informationen zum Jubiläumsjahr der Reformation 2017 finden Sie hier:
Die Geschichte der Evangelischen in Wien: 1517 bis heute
Ausstellung: Die Geschichte der Evangelischen in Wien
Einen Überblick über die mehr als 500-jährige Geschichte der Evangelischen in Wien gibt eine Ausstellung über sechs Banner mit kompakten Informationen, die der Verein der Freunde des Evangelischen Museums Wien zusammengestellt hat. (Kontakt zum "Evangelischen Museum Wien" über HR Ernst Petritsch, ernst.petritsch@inode.at)
Hier geht es zur Ausstellung: "Die Geschichte der Evangelischen in Wien":
Einen ausführlichen Text zur Geschichte der Protestanten in Wien finden Sie im Buch "So evangelisch ist Wien" auf den Seiten 184 - 196. Autorinnen sind Dr. Hannelore Köhler und Martina Schomaker-Engemann. Mehr zum Buch "So evangelisch ist Wien" finden Sie hier: www.evang-wien.at/buch
Nachfolgend lesen Sie Schlaglichter aus der 500-jährigen Geschichte:
Ein Blick zurück
Für die katholischen Habsburger, die über 400 Jahre die Erbländer und die Donaumonarchie entscheidend geprägt und über weite Strecken eine Symbiose mit dem Katholizismus eingegangen sind, war der protestantische Glaube anfänglich attraktiv. Gerade zu Beginn der Reformation lief nicht nur die Stadt Wien fast einheitlich zur "neuen Lehre" über, auch Maximilian II. hatte einen protestantischen Hofprediger - Sebastian Pfauser - und hörte diesem in seiner Augustinerkirche zu. Am Sterbebett nahm er das Abendmahl in beiderlei Gestalt - ein Ausdruck protestantischer Gesinnung. Von 1520 bis 1600, also zwei Generationen lang, war der Adel und Wiens Bürgertum evangelisch. Zu Tausenden gingen oder fuhren sie sonntags in die umliegenden Adelsgüter nach Hernals, Inzersdorf, Rodaun und Vösendorf, um eine evangelische Predigt zu hören und einen evangelischen Gottesdienst zu besuchen.
Gegenreformation
Doch dann begannen die Maßnahmen zu wirken, die die katholische Kirche in Kooperation mit den Jesuiten und dem Landesherrn ergriffen hatten, um die "Ketzerey" auszurotten.
Nun war evangelisches Leben in Wien nur mehr geheim gestattet, alle Prediger wurden des Landes verwiesen. Aus diesem Grunde ist die evangelische Kirche in Österreich eine laizistische Kirche geblieben, da sie 150 Jahre bis zum Toleranzpatent Josef II. 1781 ohne Pfarrer auskommen musste. Bis heute blieb es unbekannt, in welch starkem Ausmaß Evangelische gerade nach dem Toleranzpatent 1781 und zunehmend dann im Laufe des 19. und 20 Jahrhunderts Wien, die Kultur und die Wirtschaft Wiens und ganz Österreichs entscheidend geprägt haben. Im Bereich der Wissenschaft, der Forschung und der Kunst sind die Leistungen evangelischer "Inländer" und Zuwanderer ebenso nicht wegzudenken.
Wien
Wien ist eine Stadt mit reicher evangelischer Geschichte, eine Stadt, in der die Botschaft der Reformation schon früh zahlreiche Anhänger gefunden hat. Predigte doch am 12. Jänner 1522 im Stephansdom Paul Speratus, der Dichter des bekannten Gesangbuchliedes "Nun ist das Heil uns kommen her" und starb hier als erster Blutzeuge für die evangelische Sache der Kaufmann Kaspar Tauber am 17. September 1524 den Märtyrertod. Zahlreiche Straßennamen erinnern heute an evangelische Persönlichkeiten, die in der Vergangenheit die Geschicke und die Entwicklung dieser Stadt mitgetragen und mitgestaltet haben. Egon Friedell und Vizebürgermeister Max Winter waren ebenso Protestanten wie die Architekten Otto Wagner, Josef Hoffmann und Theophil Hansen. Evangelisch waren aber auch Johannes Brahms und der Arzt Theodor Billroth.
Älteste Pfarrgemeinde
Die älteste Gemeinde der Evangelischen Diözese A.B. Wien ist die 1782 gegründete Pfarrgemeinde Wien-Innere Stadt. Sie ist gleichsam die Mutter der heute zur Diözese gehörenden Gemeinden. Die Lutherische Stadtkirche, im Zentrum Wiens unweit des Stephansdomes gelegen, übt die Funktion einer typischen City-Kirche aus und zieht in Gottesdienst, kirchenmusikalischen Veranstaltungen und Gemeindekreisen nicht nur Touristen an.
Im Wiederaufbau 1946 wird die Wiener Superintendenz gegründet
Die Geschichte der Evangelischen in Wien reicht hunderte Jahre zurück. Warum die Wiener Superintendenz A.B. 2016 „nur“ ihren 70er feiert, erklärt Historiker Ernst Petritsch:
Nachdem Kaiser Josef II. mit dem Toleranzpatent 1781 den evangelischen Glauben quasi legalisierte, ernannte er im Jahr 1783 den Prediger Johann Georg Fock der Evangelischen Gemeinde A.B. Wien zum „Superintendenten“, der im Auftrag des Kaisers die geistliche Aufsicht über die Lutherischen Gemeinden zu führen hatte. Die Diözese umfasste allerdings nicht nur die Pfarrgemeinden in Wien, sondern alle Gemeinden in den Kronländern Niederösterreich, der Steiermark, Kärnten sowie in Triest. Übrigens: Nach Erlass des Protestantenpatents 1861 wurden die Superintendenten nicht mehr ernannt, sondern von den evangelischen Gemeinden gewählt. Die Pfarrgemeinde des Gewählten wurde zugleich zum Sitz der Wiener Superintendenz A.B., 1862-1875 war dies letztmals Wien, 1875-1895 Treßdorf, 1895-1903 Arriach, 1903-1928 Schladming, 1928-1945 schließlich Villach. Nach 1918, am Beginn der Ersten Republik, blieb die Superintendenz auf die Bundesländer Kärnten, Steiermark und Niederösterreich innerhalb ihrer neuen Grenzen beschränkt.
Zur Unterstützung des lutherischen Superintendenten waren Senioren ernannt worden: So entstanden im Laufe der Zeit zwei Seniorate in Kärnten, eines in der Steiermark und eines in Niederösterreich. Nachdem Wien 1920 selbständiges Bundesland geworden war, wurde 1923 ein eigenes Wiener Seniorat gegründet. Mitten im Zweiten Weltkrieg, am 28. Oktober 1942, beschloss die Superintendentialversammlung die Auflösung der Superintendenz A.B.. Diesem Antrag kam der Oberkirchenrat A.B. – nach der Pensionierung von Superintendent Johannes Heinzelmann am 31. Dezember 1945 – nach. So wurden 1946 die bisherigen Seniorate zu selbständigen Superintendenzen – Wien, Niederösterreich, Steiermark und Kärnten – umgewandelt.
1946 – die Geburtsstunde der eigenständigen Wiener Superintendenz, die „nur“ die Stadt und einige umliegende Gemeinden umfasste. Zum Superintendenten von Wien wurde der erste Pfarrer der Lutherischen Stadtkirche, Georg Traar, gewählt und am 6. Jänner 1947 – im Beisein von Bundeskanzler Leopold Figl und Vizekanzler Adolf Schärf – in sein Amt eingeführt.
Die Linderung der ärgsten Nachkriegsnot, Gründung neuer Pfarrgemeinden, Wiederauf- und Neubau von Kirchen standen am Beginn im Vordergrund. Der Wiederaufbau der Evangelischen Schule am Karlsplatz 1960 und die Gründung eines Evangelischen Gymnasiums 1996 (seit September 2006 in Wien-Simmering) waren wesentliche Anliegen in der Folgezeit. Die wachsende Anonymität einer Großstadt bildet heute einen Schwerpunkt der Seelsorge in der Diözese Wien, die inzwischen keine niederösterreichischen Gemeinden, sondern nur mehr Wiener Stadtgemeinden umfasst.
Text "Im Wiederaufbau 1946 wird die Wiener Superintendenz gegründet": HR Ernst Petritsch
Wien – eine Metropole als Reformationsstadt
Die österreichische Bundeshauptstadt ist ein kulturelles und politisches Zentrum Europas. Über Jahrhunderte residierten hier die Kaiser und prägten damit auch die Stadt. Dafür hat die UNESCO die Wiener Altstadt und das Schloss Schönbrunn als Weltkulturerbe anerkannt.
Als kaiserliche Residenzstadt kam Wien auch in der Reformationszeit eine besondere Rolle zu. An der Universität Wien studierten einige spätere Reformatoren, wie zum Beispiel der Zürcher Huldrych Zwingli (1484-1531). Ab 1520 breiteten sich evangelische Flugblätter in Österreich aus. Bereits im Januar 1522 predigte Paul Speratus (1484-1551), der Dichter des bekannten Kirchenlieds „Nun ist das Heil uns kommen her“, im Stephansdom evangelisch und wurde dafür exkommuniziert. Zwei Jahre später wurde der Tuchhändler Caspar Tauber für sein Bekenntnis zur Reformation in Wien hingerichtet. Doch in der Bevölkerung fand die evangelische Lehre großen Zuspruch. Die Mehrheit des Adels und der Wiener Bürger wurde evangelisch. Auch die radikale Reformation fand Anhänger und so gründete sich in Wien eine Täufergemeinde. 1528 wurde der Täuferführer Balthasar Hubmaier verbrannt.
All dies verstärkte die antiklerikale Stimmung der Bevölkerung, die nach dem Verbot der evangelischen Predigt sonntags die evangelischen Gottedienste in den Adelsgütern vor den Mauern der Stadt Wien besuchte. Der Adel förderte die evangelische Bewegung und beschäftigte evangelische Pfarrer. Selbst der spätere Kaiser Maximilian II. (1527-1576) hatte mit Johann Sebastian Pfauer (1520-1569) einen evangelischen Hofprediger an die Hofkirche bestellt. Gegen Ende des 16. Jahrhunderts waren drei Viertel der Wiener Einwohnerschaft evangelisch.
Im Zuge der Gegenreformation wurden im 17. Jahrhundert die evangelischen Adeligen als Träger der Reformation entmachtet und vertrieben. Evangelische konnten ihren Glauben nur noch im Geheimen leben. Erst mit dem Toleranzpatent von 1781 konnten wieder evangelische Gemeinden entstehen. Heute gibt es wieder ein lebendiges evangelisches Leben in Wien, wenn auch die Evangelischen eine Minderheit sind. Wien ist der Sitz der Kirchenleitungen – sowohl der Evangelischen Kirche A.B. und H.B als auch der evangelisch-methodistischen Kirche in Österreich. In den Wiener Museen und Archiven lagert ein einmaliger Schatz an Dokumenten der Reformationszeit, wie z.B. das Original der Confessio Augustana, die Kaiser Karl V. überreicht wurde, oder eines von drei noch erhaltenen Exemplaren der 95 Thesen Luthers, aber auch zahlreiche reformatorische Flugschriften und Gemälde.
Text "Wien – eine Metropole als Reformationsstadt": www.reformation-cities.org