Wien: Theologie auf der Suche nach der Öffentlichkeit
Wissenschaft im Elfenbeinturm oder Teil der Gesellschaft?
Wien (epdÖ) – Die öffentliche Stimme der Theologie in einer zunehmend von religiöser Pluralisierung, Säkularisierung und Digitalisierung geprägten Gesellschaft stand im Zentrum einer zweitägigen Fachtagung an der Universität Wien, die am Freitag, 29. März, zu Ende ging. Der Wiener Theologe Ulrich Körtner, der die Tagung gemeinsam mit Reiner Anselm von der Ludwig-Maximilians-Universität München leitete, hielt im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst dem Bild von der Theologie als Wissenschaft „im Elfenbeinturm“ eine Theologie entgegen, die „in der weiteren Öffentlichkeit, den Medien, der kirchlichen Öffentlichkeit, den Gemeinden, den Synoden“, eine Rolle spiele. Gerade in der Diasporasituation in Österreich müsse man sich die Frage stellen, „ziehen wir uns in das selbstgewählte Ghetto zurück, oder verstehen wir uns, egal ob wir klein oder groß sind, als Teil dieser Gesellschaft?“ Kirche sei schließlich kein Selbstzweck, sondern habe die Aufgabe, das Evangelium zu verkünden, und das impliziere, sich an gesellschaftlichen Debatten zu beteiligen. Körtner verdeutlichte das am Beispiel des Karfreitags: Hier sei es Aufgabe öffentlicher Theologie, den Sinn dieses Tages auch Menschen außerhalb der Kirche oder Nichtchristen zu erklären – oder es wäre zumindest deren Aufgabe gewesen, so Körtner in einem Nachsatz. Immer sei jedoch auszuloten, wie die unterschiedlichen Strömungen innerhalb der Theologie zusammen fänden. Körntner führte als Beispiel die jüngste Debatte um die Ehe für alle an, wo zu beobachten gewesen sei, „wie sich Liberale und Evangelikale zusammenraufen“.
Moser: „Hören, was die Praxis zu sagen hat“
Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser sprach im Rahmen der Tagung über die Diakonie als Akteurin öffentlicher Theologie und „Kanzel der Kirche in der Öffentlichkeit“. Wenn die Diakonie als Hilfsorganisation der Evangelischen Kirchen in der Öffentlichkeit wahrgenommen wird, dann wird auch die Kirche wahrgenommen“, führte sie im Gespräch aus. Die Diakonie äußere sich bewusst verstärkt zu sozialen Themen, tue dies aber primär dort, wo sie selbst eine konkrete Hilfspraxis anbieten könne. Moser, die selbst in der Wissenschaft tätig war, würdigt zwar die akademische Theologie als Reflexionsraum, sieht sie aber in der Pflicht, sich auch selbst zu fragen, inwieweit sie bereit ist, zu hören, „was die Praxis zu sagen hat“. Kritik äußert Moser auch daran, dass die Theologie öffentlich sehr stark als männliche Disziplin wahrgenommen werde; hier würde allgemein sichtbar, „dass die akademische Sphäre immer noch eine sehr stark männlich geprägte ist“.
Van Oorschot: „Digitale Medien verändern die Art des Theologisierens“
Der Frage, „wie sich öffentliche Theologie verändert, wenn sie in digitalen Räumen stattfindet, widmete sich die Heidelberger Theologin Frederike van Oorschot. „Die Fragen der Trennung von Privatem und Öffentlichkeit, aber auch die Kommunikationslogiken sind in digitalen Räumen ganz andere als in analogen Räumen“, erklärte van Oorschot gegenüber dem epdÖ. Es fänden mehr Rückkoppelungseffekte statt, auch sei die Debatte stärker emotional aufgeladen. Durch die Ausrichtung der Kommunikation in digitalen Räumen auf Partizipation und Dialog ließe sich das Gegenüber von akademischer Theologie und Öffentlichkeit nicht aufrecht erhalten: „Digitale Medien verändern die Art des Theologisierens. Man muss ernster nehmen, in welchen Räumen wir theologisieren.“ Im deutschsprachigen Raum sei die digitale Sphäre von TheologInnen noch wenig erschlossen worden, so van Oorschot, im kirchlichen Bereich passiere da etwas mehr: „Mein Eindruck ist, dass die Logik der Informationskanäle noch nicht richtig verstanden ist, sondern sie eher als schwarzes Brett angesehen werden.“ Das sei aber weder das, was die digitalen Plattformen könnten, noch was die Nutzer erwarteten.