Zu viel Religion im Kindergarten?

 
von Evangelischer Pressedienst
  Religionssensible Bildung im Kindergarten ist notwendig - darüber zeigten sich die DiskutantInnen einig. Foto: pixabay/FeeLoona
Religionssensible Bildung im Kindergarten ist notwendig - darüber zeigten sich die DiskutantInnen einig. Foto: pixabay/FeeLoona

ExpertInnen diskutierten über religionssensible Bildung in einer pluralen Gesellschaft

Wien (epdÖ) – Gibt es ein Zuviel an Religion im Kindergarten? Darüber diskutierten am Mittwochabend, 13. März, Expertinnen und Experten aus unterschiedlichen Trägerschaften von Kindergärten beim „Pädagogischen Salon“ der Evangelischen Akademie Wien. Einige waren sich die DiskutantInnen, dass in einer pluralen Gesellschaft religionssensible Bildung im Kindergarten unverzichtbar sei. „Religion ist Bestandteil der Gesellschaft, daher ist sie Bildungsgegenstand. Kinder lernen im Kindergarten das Verschiedensein, das zum Menschsein und zu einem friedvollen Zusammenleben gehört“, sagte der für Bildungsfragen zuständige evangelische Oberkirchenrat Karl Schiefermair. „Was im Kindergarten funktioniert, funktioniert auch in der Gesellschaft gut“, unterstrich Hamza Hassan-Imara vom Trägerverein „Pädagogische Experten“ des Kindergartens „Tabarak“ in Wien-Ottakring. Es gelte, „Diversität zu leben“, was sich auch in einem diversen Team widerspiegle. Dem kann auch Daniela Cochlar, Leiterin der MA 10 für Wiener Kindergärten, viel abgewinnen: „Je diverser, desto hilfreicher. Wir brauchen Männer, Frauen, unterschiedliche Religionen, das ist die Welt, das ist Wien.“

Unisono betonten die ExpertInnen, dass das Kind im Zentrum stehen müsse, in seiner Gesamtheit müsse es angenommen werden. Problematisch werde es, wenn „Kulturen hierarchisiert“ würden, erklärte die Direktorin der Islamischen Fachschule für Soziale Bildung, Zeynep Elibol. Kinder, die nicht zur „Mainstream-Kultur“ gehörten, dürften sich nicht als „defizitär“ oder ausgeschlossen erleben, so die Pädagogin. Viel werde dabei auch nonverbal vermittelt. Das verhindere letztlich, „das Potential zu erkennen, das in jedem Kind steckt“.

Für Susanne Haas, pädagogische Leiterin der römisch-katholischen St. Nikolausstiftung, stellt sich nicht die Frage nach einem Zuviel von Religion, sondern eher, wie mit Religion im Kindergarten umgegangen werde. Zum Glück habe man sich längst vom „negativen Bild der Religion mit einem strafenden Gott“, das sie in ihrer Kindheit noch selbst erlebt habe, verabschiedet. In der Religionspädagogik habe sich viel zum Positiven verändert, die „Professionaliserung muss auch weiter über allem stehen“.

Verunsicherung unter den ElementarpädagogInnen ortet Zeynap Elibol. Durch die stark umstrittene und medial breit diskutierte Studie des islamischen Religionspädagogen Ednan Aslan seien zahlreiche Stereotype und Vorurteile entstanden. Die „emotional hochgetriebene“ Debatte verunsichere zudem. Obwohl die Islamische Glaubensgemeinschaft selber keine Kindergärten betreibe, habe sie einen Leitfaden für mehr Qualität und Professionalisierung erstellt.

Dass die Aus- und Fortbildung der BetreuerInnen entscheidend sei, betonte Oberkirchenrat Karl Schiefermair. Notwendig sei dabei „eine professionelle Haltung zur eigenen Religion“. 44 Prozent der Kinderbetreuungseinrichtungen in Österreich werden privat geführt, machte Schiefermair deutlich. Das garantiere Wahlfreiheit für die Eltern. Konfessionelle Träger bieten hier, so der Oberkirchenrat, „eine spezielle Kompetenz für den Umgang mit Werthaltungen und Religionen“. Zentral ist für Schiefermair dabei, dass sich die Träger ein Profil geben, und dieses Konzept Kindern aber auch den Eltern gegenüber transparent leben. Als „untaugliche Mittel“ für religiöse Bildung sieht der Oberkirchenrat hingegen neben dem fehlenden Konzept die „Praxis der religiösen Indoktrination“ aber auch bestimmte staatliche, normative Vorgaben, Verbote oder Sanktionen. Daniela Cochlar erinnerte in diesem Zusammenhang, dass ihr in den sieben Jahren ihrer Tätigkeit als Leiterin der MA 10 nur ein Kind mit einem Kopftuch im Kindergarten begegnet sei. „Hier haben wir erfolgreich das Gespräch mit den Eltern gesucht“, Verbote seien kontraproduktiv.

An der politischen Diskussion kritisierte Schiefermair die „krampfhafte Aussparung“ von Religion ebenso wie ihre Überbetonung, stattdessen brauche es „einen gelassenen Umgang mit dem Thema, auch wenn Religion immer wieder als Aufreger gehandelt wird“. Gemeinsam mit der römisch-katholischen Bischofskonferenz teile auch er Cochlars Sorge, dass Religion statt im öffentlichen Bereich im Verborgenen stattfindet. „Verbote, Stigmatisierungen und Kleidungsvorschriften drängen Religion in das Heimliche, Unsichtbare“, hatte Cochlar gewarnt.

Der „Pädagogische Salon“ ist eine Veranstaltungsreihe der Evangelischen Akademie Wien im Albert Schweitzer Haus in Kooperation mit dem Institut für Bildungswissenschaft der Universität Wien, der Kirchlichen Pädagogischen Hochschule Wien/Krems und der Diakonie Bildung. Moderiert hat die Diskussion am Mittwochabend Ursula Peßl vom Institut für Religiöse Bildung an der KPH Krems.

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