Matthias Geist: „In Wien sind soziale Werte in hohem Ausmaß da“
Neuer Wiener Superintendent im Interview mit der Wiener Zeitung
Neuer Wiener Superintendent im Interview mit der Wiener Zeitung
Wien (epdÖ) – Der neue evangelische Wiener Superintendent Matthias Geist hat im Interview mit der „Wiener Zeitung“ (Donnerstag, 13. Dezember) angekündigt, sich in gesellschaftspolitischen Diskussionen – wenn nötig – deutlich zu Wort zu melden: „Wir brauchen ein Miteinander und nicht ein Gegeneinander mit Vorverurteilungen. In Wien sind soziale Werte in hohem Ausmaß da. Wo es aber schon Begrenzungen gibt, wo Stimmen laut werden dürfen, wer aller nicht sozialer Unterstützung in entsprechendem Umfang wert ist, dort möchte ich schon auch, dass wir als Evangelische uns dagegen aussprechen.“
Trauung für alle: „Wichtig, alle Argumente ernst zu nehmen“
In der aktuellen Debatte um kirchliche Trauungen für Homosexuelle ist Geist um Vermittlungsarbeit bemüht: „Wir wollen jede Liebe, die auf gegenseitiges Vertrauen und Fürsorge ausgerichtet ist, segnen. Aber es war wichtig, alle Argumente ernst zu nehmen. Es ging darum, dass wir einen Beschluss nicht über die Gemeinden hinweg fassen, sondern ihn auf eine tragfähigere Grundlage stellen.“ Die Synode A.B. hatte Anfang Dezember beschlossen, vor einer möglichen Einführung der „Ehe für alle“ erst die Pfarrgemeinden zu befragen.
Zur Frage, ob es möglich wäre, dass es dann in einigen Pfarren homosexuelle Trauungen gibt und in anderen nicht, meinte Geist, die einzelnen Gemeinden „dürfen und sollen noch einmal darüber nachdenken, ob und wie sie den Grundsatzbeschluss der Synode umsetzen können und wollen“. So könne es tatsächlich auch sein, dass sich bei der Umsetzung im März im Einzelfall dann eine unterschiedliche Herangehensweise ergibt. Aber es sollte in jeder Diözese eine Möglichkeit für schwule oder lesbische Paare geben, sich kirchlich trauen zu lassen. Es werde allerdings kein Pfarrer und keine Pfarrerin dazu gezwungen.
Evangelische Bischöfin ab 2019?
Nach einer möglichen evangelischen Bischöfin ab dem nächsten Jahr gefragt äußerte sich Geist vorsichtig. „Ich sehe da auf jeden Fall eine Chance. Allerdings sind jene, die in Frage kämen, in einem Alter, dass es eine sehr kurze Amtszeit wäre.“ Aber auch sie könnten nominiert werden. Selbiges gelte für „die heranwachsende Jugend, die vielleicht noch zu jung ist“. Sie sollte trotzdem in Erwägung gezogen werden. „Es gibt sicher potenzielle Kandidatinnen, aber die sieben Diözesen entscheiden, wen sie nominieren“, so der neue Wiener Superintendent wörtlich.
Im Interview blickt Geist auch auf 17 Jahre als Gefangenenseelsorger zurück: „In meinem Amt ging es darum, darauf zu achten, dass sich die Gesellschaft nicht spalten lässt, sondern zueinander zurückfindet. Im Haftalltag sind die einen verdächtig oder verurteilt und deshalb auf der einen Seite der Gitter und Mauern, die anderen draußen fühlen sich allzu sicher und zu gerecht, als dass sie jemals hineinkommen könnten.“ Er habe immer auf einen Austausch geschaut, „den es ja für die Resozialisierung braucht“.
„Wiener Diözese hatte schwierige Phasen zu überstehen“
Über seinen Vorgänger als Wiener Superintendent, Hansjörg Lein, sagt Geist im Gespräch mit der Wiener Zeitung: „Er hat einiges sehr gut auf Schiene gebracht.“ In Leins Amtszeit hätte es auch schwierige Phasen zu überstehen gegeben, jetzt aber übernehme er die Diözese „in einem guten Klima“: „Wesentlich wird sein, in der Mitarbeiterbegleitung das richtige Gespür zu haben, wo man Kräfte noch stärken kann und wo man jemanden schützen soll vor Situationen, vor Außeneinflüssen oder auch vor Eigenwilligkeiten.“
Angesprochen darauf, dass er mit der früheren Grünen-Chefin Eva Glawischnig und dem jetzigen FP-Innenminister Herbert Kickl die Schulbank gedrückt und maturiert habe, sagte Geist: „Ich halte beide für sehr intelligente Menschen, die aus ihrer Grundüberzeugung nie ein Hehl gemacht haben. Die dezidierte Parteienzuordnung hätte ich damals vielleicht noch nicht gesehen, obwohl sich Eva Glawischnig als Klassensprecherin für den Umweltschutz eingesetzt hat.“ Aktuell hätte er sicher für beide eine Botschaft. Herbert Kickl würde er beispielsweise gerne einmal in der Asyldebatte die Sichtweise der Evangelischen Kirche darlegen, „dass es auf eine unabhängige Rechtsberatung für Flüchtlinge hinauslaufen muss und das nicht aus einer Ecke des Innenministeriums kommen sollte“.
Matthias Geist ist seit 1. Dezember neuer Superintendent der evangelisch-lutherischen Diözese Wien. Diese hat rund 48.500 Mitglieder in 21 Pfarrgemeinden. Die offizielle Amtseinführung Geists findet am Sonntag, 27. Jänner, in der Lutherischen Stadtkirche in Wien statt.