"Von Weihnachten her" leben

Loss guad sei: Menschsein genügt!

 
von Martina Schomaker
Seit Gott als Kind in die Krippe gelegt wurde, sitzen wir an der Quelle.
Seit Gott als Kind in die Krippe gelegt wurde, sitzen wir an der Quelle.

Weihnachten ist das attraktivste Fest des Christentums. Es „zieht an“, man muss nicht dafür werben, denn die Botschaft dieses Festes ist im doppeltem Sinne menschlich: Sie dreht sich nicht nur darum, dass Gott Mensch wird; zu Weihnachten kommen wir selbst als Menschen zum Vorschein: Mit dem uns innewohnenden Impuls zu lieben, mit unserem Bedarf an Zuwendung, mit unserer Bereitschaft, zu helfen, mit Erinnerungen, die uns dankbar sein lassen, mit unseren Hoffnungen in Bezug auf das, was uns noch erwarten mag.

Ja, diese Geschichte hört man gern: Dass Gott nicht im Himmel wohnt, sondern unter die Menschen kommt, indem er sich als Säugling in das Fressgestell eines Schafstalls legt. Ein kaum zu überbietendes Bild dafür, dass Gott ganz unten anfangen und niemanden verpassen will. Die anstrengende Bewegung von unten nach oben, das Sich-zu-Gott-hoch-Arbeiten, die Saison des Türme-Bauens (in Babel mit Granitblöcken, im Alltag mit Türmen des Erfolgs, der Konkurrenz, der Spitzenleistung, des Sich-Überbietens im Gut-Sein) – diese Zeit ist vorbei. Es ist Weihnachtszeit.

Aber Vorschicht: Weihnachten kann zu einer Falle werden. Die Betriebsamkeit rund um dieses Fest kann dazu verleiten, es ausgerechnet als allgemeine Mobilmachung zum „Türme-Bauen“ misszuverstehen. Dieser Fehlschluss artikuliert sich häufig in Generalappellen an die Ressourcen unseres Gutseins: Wo bleibt eure Liebe? Da muss doch noch mehr drin sein! Ihr wolltet helfen? Mehr davon – das war zu wenig! Ihr lebt aus Glauben? Stärker zu glauben geht immer! Das würde Gott freuen...

Dabei hat er es auf unsere Freude und Gelassenheit abgesehen. Er braucht keinen unserer Türme. Weihnachten zu feiern – und auch den Rest des Jahres „weihnachtlich“ zu leben – heißt, sich auf Weihnachten als eine gegebene Wirklichkeit einzulassen. „Von Weihnachten her“ zu leben hat damit zu tun, sich nicht überfordern zu lassen, auch nicht mit scheinbar christlichen Argumenten. Wenn wir selber in diesen Tagen als Menschen zum Vorschein kommen, nehmen wir den Glauben, aus dem wir leben, die Hoffnung, aus der wir schöpfen und die Liebe, die uns bewegt, als Ressourcen wahr, die keineswegs ständig „gepimpt“ werden müssen.

Seit Gott als Kind in die Krippe gelegt wurde, sitzen wir an der Quelle. Das zu feiern, hat nichts mit Selbstzufriedenheit und Vorliebe für kirchlichen Stallgeruch zu tun. Es hat mit Dankbarkeit für die Präsenz Gottes an den Orten unseres Lebens zu tun, mit Respekt vor dem, was Menschen möglich und unmöglich ist – und mit der Freiheit von dem Wahn, „wie Gott zu sein“ (Leitidee des Turmbaus zu Babel).

 

Text: Univ.-Prof. Dr. Wilfried Engemann, er ist Praktischer Theologe an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien
Fotos: oben Krippe: pixabay/Alexas Fotos; unten Hochhaus: pixabay.com/engin akyurt

Der Text ist im Magazin "Evangelisches Wien", Ausgabe 4/2017 erschienen (www.evang-wien.at/magazin)

Gott braucht keinen unserer „Türme“. – „Von Weihnachten her“ zu leben, heißt, dass unser Glaube, aus dem wir leben, nicht ständig verbessert werden muss.

Gott braucht keinen unserer „Türme“. – „Von Weihnachten her“ zu leben, heißt, dass unser Glaube, aus dem wir leben, nicht ständig verbessert werden muss.

Niko wünscht sich mehr zu Weihnachten...

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