Stephansdom: Ökumenisches „Gebet für Europa“
Pogromgedenken in Ruprechtskirche Wien
Pogromgedenken in Ruprechtskirche
Wien (epdÖ) – Zu einem ökumenischen „Gebet für Europa“ haben sich am Donnerstagabend, 9. November zahlreiche Christinnen und Christen unterschiedlicher Konfessionen aus ganz Europa im Wiener Stephansdom versammelt. Anlass war ein Treffen des internationalen Christen-Netzwerks „Miteinander für Europa“, zu dem Führungskräfte der rund 300 christlichen Gemeinschaften des Netzwerks in der österreichischen Bundeshauptstadt zusammenkamen. Geleitet wurde das Gebet von Kardinal Christoph Schönborn, der in seiner Ansprache die Initiative würdigte. Gemeinsam mit dem Wiener Erzbischof nahmen u.a. auch die Weihbischöfe Stephan Turnovszky und Franz Scharl, der syrisch-orthodoxe Chorepiskopos Emanuel Aydin, der evangelische Altbischof Herwig Sturm, der anglikanische Bischofsvikar Patrick Curran sowie zahlreiche Vertreter der Freikirchen in Österreich teil. Der Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), der reformierte Landessuperintendent Thomas Hennefeld, richtete ein Grußwort an die Teilnehmer.
Hennefeld: Gegen Fliehkräfte der Egoismen
In seinem Grußwort betonte Hennefeld, die Kirchen in Europa müssten für Menschenwürde, Frieden, Versöhnung, Gerechtigkeit, den Schutz des menschlichen Lebens und der Schöpfung stehen; ebenso müssten sie sich für eine gerechte Wirtschaft und Solidarität mit Bedürftigen und Ausgegrenzten einsetzen. „Das alles ist nicht selbstverständlich und muss bewahrt werden“, sagte der Landessuperintendent.
Er verwies zugleich auf Papst Franziskus, der vor kurzem bei einer internationalen Tagung in Rom darauf aufmerksam gemacht hat, dass die Gemeinschaft das stärkste Gegengift gegen die Individualismen der Gegenwart sei. Hennefeld: „Gemeinschaft und Vernetzung von Menschen guten Willens ist heute wichtiger denn je, wo die Fliehkräfte stärker werden und die Polarisierung in den europäischen Gesellschaften zunimmt, die Egoismen und Selbstinszenierungen einen immer höheren Stellenwert gewinnen.“
Dabei müssten die Christen aber stets darauf Bedacht nehmen, sich nicht als Gegenüber zu anderen Religionen oder Kulturen zu verstehen und so neue Feindbilder aufzubauen. Vielmehr gelte es, „im Geist Jesu, im Geist des Friedens und der Versöhnung zusammenzuarbeiten und Demokratie und Pluralismus zu fördern“. Wachsamkeit und Sensibilität seien dort gefordert, „wo diese Konzeption Europas bedroht ist von kleingeistigen, engstirnigen, machtverliebten Ungeistern“, so der ÖRKÖ-Vorsitzende.
Schönborn warnt vor Spaltung Europas
Kardinal Christoph Schönborn warnte vor der Gefahr einer Spaltung des Kontinents. Europa habe in seiner Geschichte viele Wunden erlitten, aber auch schon Heilung erfahren, meinte Schönborn. Er erinnerte dabei an die Religionskriege, aber auch an positive Ereignisse wie den Fall der Berliner Mauer. In besonderer Weise gedachte der Wiener Erzbischof der Opfer der Novemberpogrome von 1938, die sich am Donnerstagabend zum 79. Mal jährten. Die Pogrome seien der Beginn einer der schlimmsten Katastrophen der Menschheitsgeschichte gewesen, letztlich auch ermöglicht durch einen tief im Christentum verwurzelten Antijudaismus, unterstrich der Kardinal.
Das ökumenische Netzwerk „Miteinander für Europa“ entstand 1999 anlässlich der „Gemeinsamen Erklärung zur Rechtfertigungslehre“ des Lutherischen Weltbundes und der Führung der katholischen Weltkirche. Die Initiative verbindet katholische, evangelische, anglikanische und orthodoxe ChristInnen ebenso wie Mitglieder von Freikirchen und neuen Gemeinden. Anliegen des Netzwerks ist der Einsatz für die Einheit und Versöhnung der verschiedenen Konfessionen und Kulturen sowie für Solidarität, Frieden und Toleranz in Europa. Nähere Informationen finden Sie hier.
Pogromgedenken in Wiener Ruprechtskirche
Anlässlich des Gedenkens an die Novemberpogrome wurde bereits zuvor ein ökumenischer Gottesdienst in der Wiener Ruprechtskirche gefeiert. In einer Rede forderte der Wiener katholische Theologe Wolfgang Treitler die Teilnehmerinnen und Teilnehmer zu enger Verbundenheit mit dem Volk Israels auf: „Es wird wichtig sein, dass wir mehr werden, die stark und mündig sind und das helle Licht der Gerechtigkeit Israels sehen, das die Menschlichkeit hervorgebracht und erhalten hat. Dafür gilt es dankbar zu sein, für dieses Geschenk Israels an die Welt, das sich täglich erneuert und uns täglich fordert.“ Im Anschluss an den Gottesdienst fand ein Schweigemarsch zum Denkmal am Judenplatz statt.