Religionsgipfel im Kanzleramt
Kern gegen Verbannung von Symbolen
Wien (APA/epdÖ) – Bundeskanzler Christian Kern hat Vorstößen für eine Verbannung religiöser Symbole aus den Gerichtssälen eine Absage erteilt. Schon jetzt gebe es Bekleidungsvorschriften, „die Debatte sollte hier Halt machen“, sagte er nach dem Religionsgipfel mit den Vertretern der Glaubensgemeinschaften am Dienstag, 21. März, im Kanzleramt. Von den Muslimen in Österreich forderte Kern ihren Beitrag zur Integration.
Zuletzt hatten die Richtervereinigung sowie die NEOS eine vollständige Verbannung religiöser oder weltanschaulicher Symbole aus dem Gerichtssaal verlangt. Kern findet jedoch nicht, dass dies Gegenstand einer Gesetzesinitiative werden sollte. Ein Bekenntnis gab es allerdings zum geplanten Verbot der Vollverschleierung. Es sei eine Missinterpretation von Toleranz, wenn Frauen in weiten Teilen nicht an der Gesellschaft teilnehmen könnten, meinte der Kanzler.
Der schon traditionelle interreligiöse Dialog im Kanzleramt beschäftigte sich auch mit der zunehmenden Islam-Feindlichkeit im Land, die am selben Tag durch das Integrationsbarometer attestiert worden war. Kern sowie Staatssekretärin Muna Duzdar bezeichneten Muslime als wichtigen Teil der Gesellschaft, der Tendenz müsse man daher entgegenwirken. „Wir dürfen nicht vermitteln, dass sie Menschen zweiter Klasse sind“, warnte der Kanzler daher.
Auch Kardinal Christoph Schönborn betonte die Wichtigkeit der Religionsfreiheit. „Es ist gut, dass es in diesem Land verschiedene Religionsgemeinschaften gibt“, sagte er und weiter: „Wir brauchen Vielfalt.“ Der Wiener Erzbischof betonte, dass es sich bei Religionen letztlich immer um Menschen handle, die sich begegneten. „Ich warne davor, dass wir der Neigung, dem abschüssigen Hang nachgeben, einander schlecht zu machen“, sagte der Kardinal.
Der Vorsitzende der Österreichischen Bischofskonferenz war wie auch Generalsekretär Peter Schipka als Vertreter der römisch-katholischen Kirche bei dem interreligiösen Dialog dabei. Seitens der evangelischen Kirchen nahmen Bischof Michael Bünker, Landessuperintendent Thomas Hennefeld und Superintendent Stefan Schröckenfuchs an dem Gespräch teil. Bundeskanzler Kern griff den unter seinem Vorgänger Werner Faymann institutionalisierten Dialog zwischen den Vertretern der Regierung und der Religionsgemeinschaften wieder auf und folgte damit auch einer Aufforderung des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich zum Jahreswechsel. Insgesamt waren zum Treffen im Kanzleramt Vertreter von 16 anerkannten Religionsgemeinschaften eingeladen.
Keine Toleranz will Kern bei möglichen Wahlkampfauftritten des türkischen Staatspräsidenten Recep Tayyip Erdogan walten lassen. In der Diskussion um mögliche Versammlungsverbote gehe es nicht um anti-türkische Politik. Vielmehr müsse man differenzieren, denn: „Wenn demokratische Rechte genützt werden, um in anderen Ländern die Demokratie abzuschaffen, dann ist für mich der Punkt gekommen, dass ich das nicht mehr akzeptieren kann.“
Einen Beitrag zur Bekämpfung extremistischer Tendenzen erwartet sich der Kanzler von der Islamischen Glaubensgemeinschaft in Österreich (IGGiÖ). Etwa gegen Salafisten: „Ich halte das für eine faschistische Ideologie.“ IGGiÖ-Präsident Ibrahim Olgun war zwar auch beim Religionsgipfel im Kanzleramt, das Schlussstatement war jedoch Kern, Duzdar und Schönborn vorbehalten.
Sowohl der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker und der orthodoxe Metropolit Arsenios Kardamakis als auch der reformierte Landessuperintendent und Vorsitzende des Ökumenischen Rates der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ), Thomas Hennefeld, würdigten die Initiative Kerns. In Zeiten der fortschreitenden Säkularisierung und Pluralisierung sei der Dialog unter den Religionsgemeinschaften und mit den politischen Verantwortungsträgern umso wichtiger, sagte Bischof Bünker. Es brauche einen intensiven und konkreten Dialog über oberflächliche Höflichkeiten hinweg. Zuversichtlich zeigte sich der Bischof auch, dass der Dialog fortgeführt werde, wie von Kern angekündigt.
Auch Landessuperintendent Hennefeld würdigte die Offenheit von Kern und Duzdar. Es herrsche Einigkeit, dass die Kirchen und Religionen eine wichtige Rolle in der Gesellschaft spielen würden, so Hennefeld, der u. a. auf den Beitrag der Kirchen in der Flüchtlingshilfe verwies. Nachdem die Kirchen sehr darauf gedrängt hätten, den einst unter Kanzler Werner Faymann begonnenen Dialog mit der Politik wieder aufzunehmen, sei die Zusammenkunft nun ein äußerst positives Signal.