Hilfsorganisationen vermissen das Thema Pflege im Wahlkampf
Diakonie-Direktorin Moser: Pflege ist kein Randthema
Wien (epdÖ) – Diakonie, Caritas, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe erwarten von den heimischen Parteien konkrete Vorschläge für die Zukunft von Pflege und Betreuung in Österreich. In wenigen Wochen werde gewählt, bis dato sei die Pflege-Frage aber völlig unterrepräsentiert in den politischen Debatten, kritisierte Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser am Mittwoch, 28.8., bei einer Pressekonferenz in Wien. Geladen hatte die Bundesarbeitsgemeinschaft Freie Wohlfahrt (BAG), ihre Trägerorganisationen sind Caritas, Diakonie, Hilfswerk, Rotes Kreuz und Volkshilfe.
Pflege und Betreuung sei kein politisches Randthema, es betreffe 1,5 Mio. Menschen in Österreich; entweder, weil sie selbst oder weil Angehörige Pflegebedarf hätten, so Moser, die derzeit den BAG-Vorsitz innehat: „Als Bundesarbeitsgemeinschaft erwarten wir von den politischen Parteien, die Österreich in den nächsten fünf Jahren regieren wollen, dass sie Sorge für die Zukunft der Pflege tragen und bereits im Wahlkampf konkrete und konstruktive Lösungen vorschlagen.“
Es gebe bereits jetzt Versorgungsengpässe für Menschen mit Pflegebedarf, betonte Moser. Alle Hilfsorganisationen würden die verzweifelten Anrufe von Menschen kennen, „die einen Heimplatz suchen oder jemanden, der nach Hause kommt und hilft“. Ein schlichter Ausbau des bestehenden Systems sei zu wenig, attestierte die Diakonie-Direktorin: „Derzeit heißen die Optionen: entweder Heim oder mobile Hauskrankenpflege. Das ist aber nicht immer das, was die Menschen brauchen.“ Manche bräuchten mehrstündige Betreuung am Tag, vor allem bei Demenz. Anderen würde Betreuung nur in der Nacht helfen. Kurzzeitpflege sei ein großes Thema, auch Tageszentren oder Besuchsdienste. „Es braucht bedarfsgerechte wohnortnahe Lösungen“, so Moser.
Finanzierung sicherstellen
Caritas Österreich-Generalsekretärin Anna Parr mahnte weitere Anstrengungen im Bereich der Finanzierung der Pflege ein. „Wir können Menschen, die jetzt oder bald in Zukunft Pflege und Betreuung benötigen werden, diese nur dann geben, wenn entsprechende finanzielle Mittel zur Verfügung stehen.“ 2022 wurden 1,4 Prozent des Bruttoinlandsprodukts (BIP) für die Pflege aufgewendet – insgesamt 6,2 Mrd. Euro. Bis 2030 werde dieser Betrag laut Prognose des Finanzministeriums auf 1,8 Prozent und bis 2060 gar auf 3,1 Prozent steigen, verdeutlichte Parr die Dramatik. Investitionen in die Pflege seien Investitionen in die Zukunft, so die Caritas-Generalsektretärin. Diese würden die Wirtschaft ankurbeln und viele Arbeitsplätze schaffen. Die aktuelle Regierung habe wohl bereits einiges im Bereich der Pflege geschafft, das sei aber nicht ausreichend.
Ausbildung verbessern
Elisabeth Anselm, Geschäftsführerin des Hilfswerk Österreich, lobte zum einen die aktuelle Regierung dafür, dass diese im Zuge ihrer Pflegereformpakete wichtige Weichenstellungen zur Verbesserung der Personalsituation im Pflegebereich gesetzt habe. Nachsatz: „Wir sind noch lange nicht fertig.“ Als Beispiele für dringend notwendige weiterführende Maßnahmen nannte Anselm das Angebot von bedarfsgerechteren und vor allem mehr berufsbegleitenden Ausbildungsformaten und eine bessere regionale Abstimmung der Ausbildungsangebote. Zudem brauche es mehr Tempo und Kraft bei der Umsetzung von Maßnahmen zur Gewinnung von Pflegekräften speziell aus Drittstaaten und eine Verbesserung der Rahmenbedingungen für die Arbeit von Pflege- und Betreuungskräften.
Reform des Pflegegeldes
Erich Fenninger, Direktor der Volkshilfe Österreich, mahnte eine umfassende Reform des Pflegegeldes ein. Dieses sei bei seiner Einführung im Jahr 1993 ein sozialpolitischer Meilenstein gewesen. Allerdings setze es vor allem dabei an, erkrankungsbedingte Defizite auszugleichen, anstatt vorhandene Ressourcen abzusichern. Und auch die sozialen Bedürfnisse pflegebedürftiger Menschen blieben bei der Einstufung des Pflegegeldes unberücksichtigt. Daher brauche es von der nächsten Bundesregierung eine Reform des Pflegegeldes, das auch Leistungen der Prävention und Gesundheitsförderung abdeckt. Bedarf und Einstufung müssten wieder stärker in Einklang gebracht werden, so Fenninger.
Pflegende Angehörige stärken
Auf die pflegenden Angehörigen ging Gerry Foitik vom Roten Kreuz ein. Eine Million Menschen in Österreich übernehmen die Pflege und Betreuung ihrer Angehörigen. 80 Prozent aller pflege- und betreuungsbedürftigen Menschen könnten dank dieser Unterstützung zu Hause bleiben und müssten nicht in stationäre Betreuung. Pflegende Angehörige seien der größte Pflegedienst des Landes, so Foitik: „Sie leisten täglich körperliche Schwerarbeit, müssen eigene Bedürfnisse oft hintanstellen, leiden unter hohen finanziellen Belastungen.“ Die zukünftige Regierung dürfe sie mit ihren Problemen nicht allein lassen. Ausreichende Unterstützungsangebote und finanzielle Hilfen seien dringend notwendig. Foitik: „Pflege zu Hause darf nicht zur Armutsfalle werden.“