Wien: Evangelische stellen Weichen für die Zukunft
Geist: „Zeit, klar und radikal zu denken“ – Chalupka: „Lassen Sie uns mutige Schritte wagen“
Wien (epdÖ) – Eine ehrliche Bestandsaufnahme, Zielformulierungen sowie ein Plädoyer für Umbau und Aufbruch standen im Mittelpunkt der Wiener Superintendentialversammlung am 18. November im Evangelischen Gymnasium in Simmering. Vor den rund 80 Delegierten aus den verschiedenen Arbeitsbereichen und 21 Pfarrgemeinden der Evangelischen Kirche A.B. in Wien betonte Superintendent Matthias Geist, dass es an der Zeit sei, klar und radikal zu denken und zu handeln. Angesichts großer Herausforderungen wie steigender Kosten durch Inflation, sinkender Mitgliederzahlen und weniger Kirchenbeiträgen dürfe man sich nicht mit kleinen Adaptierungen zufriedengeben, er sehe in der Zukunft ein fluides „lebendiges Evangelisches Wien“.
Manche kirchliche Strukturen, so Geist, seien überholt. „Es gab eine Zeit, zu der 116.000 Wiener:innen evangelisch waren – mit neun Gemeinden“, erinnerte Geist. „Heute haben wir knapp 40.000 Evangelische in Wien in 21 Gemeinden.“ Deutlich sprach sich Geist für schlankere Organisationsstrukturen aus, gleichzeitig müsse sich die Kirche „mutig zur jüngeren Generation ausrichten“.
„Damit wir am selben Ziel auch strukturiert, solide und ohne Turbulenzen arbeiten können, müssen wir ab sofort noch mehr von allen unnötigen Reibungsverlusten Abstand nehmen“, befand der Wiener Superintendent. Auf allen Ebenen scheine das Wissen um den „Leib Christi, der viele Teile hat, die aufeinander abgestimmt sein müssen und ohne einander nichts sind“, immer mehr zu fehlen. „Das stimmt mich sehr nachdenklich“, meinte der Superintendent.
Aufbruch und Umbau
Geist präsentierte einige Ziele für die kommenden Jahre, wie etwa regionale Modelle für Konfirmand:innenkurse und intensivere Marketing-Arbeit. Außerdem sei es sein Ziel, das haupt-, neben- und ehrenamtliche Engagement auch weiter weg von der Kerngemeinde zu etablieren: etwa in „Segensräumen“, bei einfachen „Pop Up events“, „Fresh X“ und Seelsorge-Modellen an anderen Orten. Bei alldem brauche es mehr Milieusensibilität. „Ich sehe vor meinem geistigen Auge ein fluides lebendiges Evangelisches Wien“, so der hoffnungsvolle Blick des Superintendenten. Aufbruch und Umbau seien jetzt nötig, erklärte der Superintendent. „Ich trete entschieden ein für das, wofür ich 2018 angetreten bin und wörtlich gesagt habe: ‚Oberstes Ziel ist es für mich, dass wir als evangelische Gemeinschaft auf Menschen zugehen – lebendig, ehrlich, zeitgemäß und lebensnahe.‘“
Aufbruch und Umbau griff Bischof Michael Chalupka in seinem Grußwort seitens des Oberkirchenrates auf. Chalupka dankte allen, die Kirchenbeitrag zahlen und damit die kirchliche Arbeit ermöglichen, ebenso wie den ehrenamtlichen und hauptamtlichen Mitarbeitenden. Trotz aller Sorge um die Kirche gelte es, „mutig evangelisch zu sein“. Dabei komme es nicht auf die zahlenmäßige Größe an. „Wir sind eine lebendige Kirche. Stellen wir unser Licht nicht unter den Scheffel! Wir sind am Scheideweg, aber wir haben alle Karten in der Hand. Lassen Sie uns mutige Schritte wagen“, unterstrich der Bischof.