Bischof Chalupka fordert „Kultur der Transparenz und Offenheit“

 
von Evangelischer Pressedienst

ORF-Interview am Reformationstag – Hoffnung und Solidarität angesichts multipler Krisen

Wien (epdÖ) – Von der Politik fordert der evangelisch-lutherische Bischof Michael Chalupka „eine Kultur der Transparenz und der Offenheit“. Korruption dürfe keinen Platz haben. „Es kann nicht sein, dass über die politische Moral nur Gerichte entscheiden“, meinte der Bischof in der ORFIII-Sendereihe „Das ganze Interview“ am Reformationstag (31. Oktober). Hier brauche es in den politischen Parteien ein Bewusstsein, „dass es auch andere Grenzen gibt als nur jene des Rechtsstaats“. Man stehe an einem Wendepunkt, jetzt wäre eine große Kehrtwende notwendig, zeigte sich Chalupka überzeugt, sonst werde „nicht eine Partei, sondern unsere demokratische Kultur beschädigt“.

„Das Wichtigste, was wir in den multiplen Krisen brauchen: Hoffnung, getragen zu sein in einer Situation, wo wir uns völlig verloren fühlen“, sagte Chalupka im Gespräch mit der Journalistin Sandra Szabo. Die Corona-Krise habe die Erfahrung gebracht, „dass nichts planbar ist und die Zukunft unverfügbar“. Was antreibe, sei die Hoffnung.

Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit verbinden

„Die Kirchen sind einerseits Teil dieser Welt und müssen auch mitwirken, wenn es um Klimaschutz und Maßnahmen gegen die Klimakatastrophe geht“, erinnerte Chalupka im „Jahr der Schöpfung“, das die evangelischen Kirchen heuer begehen. Die Evangelische Kirche habe sich zum Ziel gesetzt, bis 2035 als Organisation, in den Pfarrgemeinden und als Gesamtkirche klimaneutral zu werden. Wichtig sei dabei auch, Klimagerechtigkeit zum Thema zu machen und Solidarität zu üben, bekräftigte der Bischof.

In die Klimakrise, die oft von Ängsten und Apokalyptik gekennzeichnet sei, bringen die Kirchen die „Hoffnung und Gewissheit ein, dass Menschen sich ändern können, dass es eine Umkehr gibt“. Dazu gehöre auch, „sich der Verantwortung zu stellen, zu wissen, was wir als Menschheit schon angerichtet haben“. Bei den konkreten Maßnahmen fordert Chalupka etwa „Klimaschutz vor Denkmalschutz“, so habe es mehrfach Pläne gegeben, Kirchendächer mit Photovoltaik-Anlagen auszustatten, was letztlich jedoch am Denkmalschutz gescheitert sei.

Bedarfsorientierte Mindestsicherung statt Almosenpolitik

„Die Länder des Südens leiden am meisten, obwohl sie am wenigsten zum CO2-Ausstoß beitragen“, führte Chalupka weiter aus. Auch in Österreich würden vermögende Menschen wesentlich mehr CO2 verbrauchen als in Armut lebende Menschen. Es müsse ein Ausgleich geschaffen werden, d.h. „wenn Klimaschutz gesetzlich vorgeschrieben wird, dann muss man immer darauf schauen, dass Klimagerechtigkeit und soziale Gerechtigkeit sich nicht widersprechen, sondern miteinander in eins gesehen werden“, sagte Chalupka. „Wir sind in einem System, das nicht armutsfest ist“, kritisierte der Bischof zudem und sprach sich für die bedarfsorientierte Mindestsicherung aus, die die „Almosenpolitik“ ablösen müsse.

Nach seiner Position zum russischen Angriffskrieg in der Ukraine gefragt, erklärte Chalupka, dass sich niemand in einem Krieg auf Gott berufen könne. Das Selbstverteidigungsrecht der Menschen in der Ukraine stehe außer Zweifel. Gleichzeitig sei jedoch jeder Krieg mit der Schuldfrage verbunden. Aber auch „nicht zu handeln würde bedeuten, Schuld auf sich zu laden“, sagte der Bischof.

Versprechen gegenüber Flüchtenden aus der Ukraine umsetzen

Dabei müsse auch den flüchtenden Menschen aus der Ukraine geholfen werden. „Jetzt ist das Versprechen, das man den Ukrainern gegeben hat, auch umzusetzen“, sagte Chalupka im Hinblick auf Zusagen, Flüchtenden aus der Ukraine – ohne vorherige Asylverfahren –
gleiche Rechte wie EU-Bürger*innen sowie Arbeitsmöglichkeit zu geben, statt sie in der Grundversorgung zu belassen.

In diesem Zusammenhang hob Chalupka die große Hilfsbereitschaft der evangelischen Pfarrgemeinden hervor, viel Solidarität sei in den Pfarrgemeinden nach wie vor erlebbar. Der Bischof unterstrich auch, dass mittlerweile „weit über 1.000 Menschen, die um Asyl angesucht hatten“, in Österreich in die Evangelische Kirche eingetreten „und Teil unserer Pfarrgemeinden“ geworden seien.

Kirchen als Motor der Solidarität

Angesichts der bestehenden Krisen gelte es, den Blick weiter auf ein tragfähiges Netzwerk der Solidarität zu richten, denn „Kirchen sind ein Motor der Solidarität“. Das bedeute auch, dass „wir Menschen, die gut verdienen, um ihren Beitrag bitten müssen, um anderen Menschen helfen zu können“, sagte Chalupka.

Generell stünden die Kirchen vor einem großen Wandel. Die „Kirche der Gewohnheit“ werde zu einer „Kirche der Gemeinschaft, der bewussten Entscheidung“. Was den Karfreitag betrifft – er wurde 2019 als gesetzlicher Feiertag für Evangelische und Altkatholiken gestrichen und stattdessen ein persönlicher Feiertag eingeführt, der allerdings aus dem Urlaubskontingent zu nehmen ist – hofft der Bischof weiterhin auf ein Umdenken. Abgesehen von der religiösen Dimension habe der Karfreitag daran erinnert, „wie man in der Geschichte mit einer religiösen Minderheit umgegangen ist. Wenn man sich ein Stück Geschichte selber wegnimmt, dann fehlt einem etwas – zu einem Land und seinem Geschichtsbewusstsein gehören auch die dunklen Seiten dazu“, betont der Bischof. Statt der „Mogelpackung“ des persönlichen Feiertags aus dem Urlaubskontingent sollte dieser als echter zusätzlicher Feiertag eingeführt werden.

„Das ganze Interview“ kann bis sieben Tage nach Erstausstrahlung in der ORF-TVthek nachgesehen werden.

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