„Mechaye Hametim“: Christen gedenken der Novemberpogrome

 
von Evangelischer Pressedienst

Ökumenischer Gottesdienst mit Superintendent Geist im Zentrum mehrerer Veranstaltungen

Wien (epdÖ) – Zum Gedenken an die Opfer der nationalsozialistischen Novemberpogrome des Jahres 1938 gegen die jüdische Bevölkerung in Wien veranstalten auch heuer wieder mehrere christliche und jüdische Organisationen gemeinsam die „Bedenktage“-Reihe „Mechaye Hametim – Der die Toten auferweckt“. Dabei finden in Erinnerung an die tragischen Ereignisse vor 84 Jahren noch bis 12. November zahlreiche Veranstaltungen in Wien statt.

Im Zentrum steht ein ökumenischer Gottesdienst in der Wiener Ruprechtskirche am 9. November um 19 Uhr, an dem der lutherische Wiener Superintendent Matthias Geist mit Vertretern der katholischen und orthodoxen Kirche Worte des Gedenkens spricht. Anschließend ist ein Schweigegang zum Mahnmal für die jüdischen Opfer der Shoa auf dem Judenplatz vorgesehen.

Für Montag, 7. November, 19.30 Uhr ist im Wiener Votivkino (Währinger Straße 12) ein „verstörendes Filmporträt über den mörderischen Biedermann“ und Kriegsverbrecher Heinrich Himmler angekündigt: Über den israelischen Dokumentarfilm „Der Anständige“ (2014) sprechen die Religionsjournalisten Otto Friedrich und Christian Rathner.

Tags darauf präsentiert der Grazer Rechtsphilosoph Anton Grabner-Haider im Otto-Mauer-Zentrum das von ihm mitherausgegebene Buch „Denken im Widerstand. Gegen Fake News und neue Ideologien“, das gegen den neuen Antisemitismus Stellung bezieht. Die Veranstaltung am Dienstag, 8. November, beginnt um 19 Uhr.

Blick auf christlichen Antijudaismus

Zwei weitere Veranstaltungen beleuchten kritisch den christlichen Antijudaismus: „Neu auf das Judentum blicken“ – dazu lädt ein Gottesdienst in der Ruprechtskirche am Samstag, 5. November, um 17 Uhr ein. Das Augenmerk gilt dabei dem Evangelisten Lukas, in dessen Texten sich „eine ambivalente Sicht aufs Judentum“ finde, wie es in der Ankündigung heißt. Wie eine christliche Gemeinde dies heute lesen, hören und verstehen kann, ist die Leitfrage der Gemeinde St. Ruprecht.

Am Donnerstag, 10. November (19 Uhr), stellt der Theologe Oliver Achilles Untersuchungen zum biblischen Vorwurf an, Israel habe „die Propheten getötet“, der im Zusammenhang mit der Kreuzigung Jesu erhoben wird. Schauplatz dieser Überprüfung sind Räumlichkeiten der Theologischen Kurse am Wiener Stephansplatz 3.

Ein „Gedenkspaziergang“ am Samstag, 12. November, ab 11 Uhr von Rudolfsheim über den Westbahnhof bis nach Mariahilf setzt den Schlusspunkt der diesjährigen „Mechaye Hametim“-Reihe in Wien. Besucht werden unter der Leitung von Matej Perc, Bildungsreferent im Albert-Schweitzer-Haus, „bedeutungsträchtige Denkmäler, Steine der Erinnerung sowie des Gedenkens und Stätten ehemaliger Tempel“.

In Salzburg versammeln sich am 9. November – 84 Jahre nach dem in der Reichspogromnacht entfesselten Nazi-Furor – sich Juden und Christen, Kunstschaffende und Studierende in der Kollegienkirche zu einer „interreligiösen Gemeinschaft der Erinnerung“. Das Gedenken wird um 19 Uhr mit Musik des Ensembles „BachWerkVokal Salzburg“ und des brasilianischen Violinisten Leon Keuffer sowie einer Lesung der Schauspielstudentin Juliette Larat eröffnet. Angekündigt ist auch ein Kaddisch bzw. Totengebet – eines der wichtigsten Gebete im Judentum ähnlich dem auf Jesus zurückgehenden Vaterunser. Davor findet bereits um 18 Uhr eine Gedenkfeier am Alten Markt in Salzburg statt.

Gemeinsam getragen wird die Veranstaltungsreihe von der Gemeinde St. Ruprecht, dem Albert-Schweitzer-Haus, der Evangelischen Hochschulgemeinde Wien, der Wochenzeitung „Die Furche“, dem „Katholischen Akademiker/innenverband“ Wien, der Katholischen Aktion Österreich, der Katholischen Hochschuljugend Wien, dem Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit und den Theologischen Kursen. (Info: www.ruprechtskirche.at)

In der Nacht vom 9. auf 10. November 1938 wurden im gesamten deutschen Machtbereich Synagogen in Brand gesteckt, jüdische Geschäfte sowie Wohnungen zerstört und verwüstet. Zahlreiche Juden wurden bei den Pogromen getötet oder verletzt. Allein in Wien wurden im Zuge des nationalsozialistischen Terrors insgesamt 42 Synagogen und Bethäuser zerstört. 6.547 Wiener Juden kamen in Haft, fast 4.000 davon wurden in das Konzentrationslager Dachau verschleppt.

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