Wiener Theologen: Kirchen müssen sich auf Minderheitenrolle einlassen

 
von Evangelischer Pressedienst

Körtner und Tück: Säkularisierung weder durch Aktionismus noch Schönfärberei aufzuhalten

Wien (epdÖ) – Die christlichen Kirchen müssen sich aus Sicht der beiden Wiener Theologen Ulrich Körtner und Jan-Heiner Tück künftig stärker auf ihre Position als gesellschaftliche Minderheit einlassen. An der aktuellen Entwicklung von Säkularisierung und Mitgliederschwund „werden auch Kirchenreformen, wie sie auf katholischer Seite der Synodale Weg durchsetzen möchte, nichts ändern“, so der evangelische und der katholische Theologe in einem Gastbeitrag für das Portal „katholisch.de“ am 23. November.

Körtner und Tück beziehen sich dabei auf die vor kurzem veröffentlichte Kirchenmitgliedschaftsuntersuchung (KMU). Darin hatten die Evangelische und erstmals auch die Katholische Kirche rund 5.300 Menschen in Deutschland unter anderem nach Kirchenmitgliedschaft, Glauben und Gottesbild befragen lassen.

Nach Ansicht von Körtner und Tück widerlegen die Studienergebnisse eine „verbreitete Auffassung, man könne auch außerhalb der Kirche sein Christsein leben“. Vertrauen in die Institution sowie deren Bindungskraft blieben gering. „Wer der Kirche noch verbunden bleibt, schätzt sie in erster Linie als Sozialagentur, ist aber an religiösen Fragen und Angeboten kaum interessiert“, so die Theologen. „Der epochale Säkularisierungsprozess lässt sich weder durch Aktionismus noch durch Schönfärberei aufhalten.“

„Öffentlich einmischen und das Evangelium in Wort und Tat bezeugen“

Stattdessen fordern die beiden Theologen „Entschleunigung und vertieftes theologisches Nachdenken“ sowie „ein neues Verständnis dafür, dass die Diasporaexistenz im Grunde von Beginn an ein Wesenszug des Christentums ist“, woraus jedoch kein Rückzug aus der Gesellschaft folgen dürfe. Vielmehr sei eine „zeitgemäße Theologie der Diaspora“ dahingehend zu verstehen, „sich öffentlich einzumischen und das Evangelium von der Liebe Gottes, die in der Person und Geschichte Jesu prägnante Gestalt gefunden hat, in Wort und Tat zu bezeugen“. Das sei auch ein ökumenischer Auftrag an beide Kirchen.

Zugleich werfen Körtner und Tück der akademischen Theologie vor, sich zunehmend von den Kirchen zu distanzieren und sich „lieber mit ‚gelebter‘ oder ‚unsichtbarer‘ Religion“ befassen zu wollen. Dadurch entstehe jedoch eine Wissenschaft, „die sich als mediokre Form von Religionssoziologie entpuppt“. Stattdessen fordern die Autoren „eine von Kirche her und auf Kirche hin denkende Theologie, die sich gleichwohl nicht auf binnenkirchliche Milieus verengt, sondern den wissenschaftlichen Austausch mit anderen universitären Disziplinen sucht“.

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