Was nützt beten?

 
von Evangelischer Pressedienst

Maria Katharina Moser über Gottvertrauen angesichts nicht erhörter Gebete

„Meine Frau hat sehr schwere Schmerzen, und ich habe jeden Abend gebetet, wenn es dich gibt, Herr, dann nimm meiner Frau die Schmerzen. Und ich habe gesehen, dass die Ukraine betet, aber der Krieg gegen die Ukraine begann. Da habe ich kapiert, dass beten nichts nützt“, schreibt mir ein Leser.

Ihm zu antworten, ist nicht einfach. Allgemein betrachtet, weiß ich zu antworten. Gott ist kein deus ex machina, der eingreift, wenn ein Konflikt sich nicht durch Handeln lösen lässt. Gott ist kein Zauberer, der Leiden verschwinden lässt. Gott ist ein Gott, der uns in die Verantwortung ruft und befähigt, Konflikte selbst zu lösen. Gott ist ein Gott, der mit uns durchs Leiden geht, es mit uns aushält, am Kreuz selbst erleidet. Das ist wesentlich im christlichen Glauben, und das glaube ich persönlich.

Wenn ich an die Frau und ihre Schmerzen denke, klingt diese Antwort schal. Eine Lehrbuch-Antwort – so wichtig die Reflexion zum Gottesbild, das durch Gebete durchscheint, auch ist. Ich kann so gut verstehen, wenn Menschen sich wünschen, Schmerzen, Krankheit, Leid sollen einfach weg gehen, und Gott bitten, die Last von ihnen zu nehmen. Ich kann verstehen, dass Menschen verzweifelt oder wütend, enttäuscht oder resigniert sind, wenn das nicht passiert. Eine beliebte Antwort ist dann immer wieder: Gott hilft ja, aber nicht so, wie wir es erwarten. Das finde ich zynisch.

Ich möchte mit Ihnen, liebe Leser und Leserinnen, teilen, was mir persönlich nützt: 2.500 Jahre alte Gebete, die in der Bibel stehen, die Psalmen. Mein Gott, warum hast du mich verlassen? ruft Jesus sterbend am Kreuz. Ein Vers aus Psalm 22. Ich schreie, aber meine Hilfe ist ferne, lautet der nächste Vers. Drei Verse später Hoffnung: Unsere Väter hofften auf dich, und du halfst ihnen heraus. Dann wieder Angst, Ohnmacht: Denn es ist hier kein Helfer. Meine Kräfte sind vertrocknet wie eine Scherbe. Und verzweifeltes Bitten: Eile, mir zu helfen! Dann wieder Zuversicht. Der Psalm schenkt mir Bilder, um widersprüchliche Erfahrungen zu benennen, diese Stimmungsschwankungen zwischen Hoffnung und Verzweiflung. Es gibt Leid, und manchmal stehen wir ihm ohnmächtig gegenüber. Unser Leben ist endlich, und wir haben nicht alles in der Hand und unter Kontrolle. Eine schreckliche Realität, die meist verdrängt wird. Klagepsalmen zu beten hilft, mich damit zu konfrontieren, indem ich Gott damit konfrontiere.

Dem Leserbriefschreiber werde ich antworten, dass ich ihm viel Kraft wünsche, um seine Frau in dieser Schmerzerfahrung zu begleiten. Seiner Frau wünsche ich gute Besserung und Hoffnung, diese trotzige Kraft, die Zukunft nicht der Verzweiflung zu überlassen, auch wenn nicht alles gut wird.

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