„Tag des Judentums“: Versöhnung als dringliche Aufgabe

 
von Evangelischer Pressedienst

Pastorin Handschin bei ÖRKÖ-Gottesdienst: „Umkehr geschieht vor Gott und in der Öffentlichkeit“

Wien (epdÖ) – Die Kirchen in Österreich begingen am 17. Jänner den 25. „Tag des Judentums“. In der Wiener Pfarre St. Josef-Weinhaus feierten Christinnen und Christen zahlreicher Konfessionen einen Gottesdienst, zu dem die Pfarre, der Ökumenische Rat der Kirchen in Österreich (ÖRKÖ) und der Koordinierungsausschuss für christlich-jüdische Zusammenarbeit geladen hatten. Dabei wurde der Weg des Lernens voneinander, der Verständigung und der Versöhnung zwischen Christen und Juden als weiterhin dringliche Aufgabe hervorgehoben.

Den Gottesdienst gestalteten u.a. der ÖRKÖ-Vorsitzende Bischof Tiran Petrosyan, Oberkirchenrätin Ingrid Bachler, Landessuperintendent Thomas Hennefeld, der griechisch-orthodoxe Archimandrit Athanasius Buk, der rumänisch-orthodoxe Bischofsvikar Nicolae Dura und der anglikanische Kanonikus Patrick Curran. Weiters wirken am Gottesdienst mit die evangelisch-methodistische Pastorin Esther Handschin, Lektor Walter Fürsatz von der Altkatholischen Kirche, Chorepiskopos Emanuel Aydin von der Syrisch-orthodoxen Kirche, ein Vertreter der Koptisch-orthodoxen Kirche sowie Kaplan. Matthias Cepielik als „Hausherr“ in St. Josef Weinhaus.

Die Wahl der Kirche St. Josef-Weinhaus für den Gottesdienst zum „Tag des Judentums“ war bewusst erfolgt, denn sie war Ende des 19. Jahrhunderts ein Ort antisemitischer Propaganda. In ihrer Predigt erinnerte Handschin daran, dass Pfarrer Josef Deckert, nach dem später der Platz vor der Kirche benannt wurde, „viele antisemitische Predigten gehalten“ habe.

Handschin kam aber auch an das Aufarbeiten dieser Phase in den letzten Jahren zu sprechen. Verantwortliche dieser Pfarre hätten sich mit ihrer Pfarrgeschichte befasst. „Sie haben sich bewusst gemacht, dass Hetzreden an dem Ort erklungen sind, wo sie heute das Wort Gottes hören. Sie haben ihren Willen bekundet, umzukehren und einen neuen Weg zu beschreiten.“ Handschin unterstrich, dass am Vorplatz der Kirche Tafeln errichtet worden seien, „die diesen Willen bekunden und öffentlich machen. Denn das gehört zum Bekenntnis von Schuld und Umkehr. Sie geschieht nicht im stillen Kämmerlein, sondern es geschieht vor Gott und in der Öffentlichkeit.“

Als Grundlage zu diesen Schritten würdigte die methodistische Pastorin die vom Zweiten Vatikanischen Konzil im Jahr 1965 verabschiedete Erklärung „Nostra aetate“, mit der die Römisch-katholische Kirche ihr Verhältnis zum Judentum grundlegend neu bestimmte. Handschin betonte ebenso, dass die Generalsynode der Evangelischen Kirche in Österreich vor 25 Jahren eine Erklärung für eine neue Beziehung zum Judentum veröffentlicht hat. Die Erklärung „Zeit zur Umkehr – die Evangelischen Kirchen in Österreich und die Juden“ nehme dabei auch Bezug auf die Spätschriften Luthers und ihre Forderung nach Vertreibung und Verfolgung der Juden. „Wir verwerfen den Inhalt dieser Schriften. Diese unsere belastete Vergangenheit verlangt nach einer Umkehr, die die Auslegung der Heiligen Schrift, die Theologie, die Lehre und die Praxis der Kirche umfasst“, zitierte Handschin aus der Erklärung. Zudem würdigte Handschin das Dokument „Dabru Emet – Redet Wahrheit“ von jüdischer Seite aus dem Jahr 2000.

Der ökumenische Gottesdienst stand unter dem Motto „So wahr ich lebe, spricht Gott der Herr: Ich habe kein Gefallen am Tode des Gottlosen, sondern dass der Gottlose umkehre von seinem Wege und lebe.“ Entnommen war das Motto dem biblischen Buch Ezechiel. Die Teilnehmer:innen am Gottesdienst beteten auch um den Frieden für das Heilige Land sowie alle seine Bewohner:innen.

Dem „Tag des Judentums“ vorangegangen waren der „Tag des Lernens“ sowie der „Tag des Gedenkens“ am 16. Jänner. Zahlreiche Veranstaltungen in ganz Österreich erinnerten dabei an die gemeinsamen Wurzeln von Christentum und Judentum, aber auch an Zeiten von Antijudaismus und Antisemitismus in den Kirchen.

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