Syrien: Diakonie und Caritas kritisieren Abschiebeforderungen
Moser am Tag der Menschenrechte: „Jetzt nicht die Zeit für Überreaktionen und Schnellschüsse“
Wien (epdÖ) – Trotz der veränderten Situation in Syrien nach dem Sturz des Assad-Regimes sei es völlig verfrüht, jetzt von einer Abschiebeoffensive zu reden, wie vom Innenministerium und von weiteren politischen Kräften im Land angeregt bzw. gefordert. Das haben Diakonie und Caritas in ihren Aussendungen zum „Tag der Menschenrechte“ am 10. Dezember erklärt.
Für Asyl-Aberkennungsverfahren gelten klare Bedingungen, betont die Diakonie. Die evangelische Hilfsorganisation hält fest, dass unterschieden werden muss zwischen „kein Asyl mehr zu bekommen einerseits“ und „den Asyl- oder Schutzstatus nach einem Aberkennungsverfahren zu verlieren andererseits“. Das Herkunftsland müsse dauerhaft sicher und eine Rückkehr in Würde möglich sein. Die Menschen müssten vor Ort auch eine Lebensgrundlage vorfinden können.
Dies zu beurteilen sei laut Diakonie aus heutiger Sicht noch unmöglich, und es werde Zeit brauchen, um die weiteren Entwicklungen in Syrien zu beobachten. „All die anderen Überlegungen, mit denen Österreich gerade vorprescht, haben mit dem Asylrecht nichts zu tun und sind unwürdig“, betont Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser. „Es ist jetzt nicht die Zeit für Überreaktionen und Schnellschüsse.“
Ähnlich argumentierte Caritas-Auslandshilfechef Andreas Knapp: „Solange noch Kampfhandlungen stattfinden und die humanitäre Lage sowie die Sicherheitssituation im Land so volatil sind, ist Syrien nach wie vor kein sicheres Rückkehrland. Eine Rückkehr in eine vollkommen zerstörte Region ist aus humanitären Gründen nicht möglich.“ Keinesfalls könnten Menschen kollektiv ausgewiesen werden. Wenn jemand in Österreich Asyl oder subsidiären Schutz bekommen hat, könne dieser nur nach Prüfung der individuellen Gefährdungslage in einem individuellen Aberkennungsverfahren aberkannt werden, erklärte Knapp. Zudem seien viele syrische Flüchtlinge gut in Österreich integriert und haben sich eine Existenz aufgebaut. Sie leben und arbeiten seit vielen Jahren in Österreich, sodass eine Ausweisung – unabhängig von der Situation in Syrien – menschenrechtswidrig wäre.
Der seit 2011 andauernde Syrien-Krieg hat rund eine halbe Million Menschenleben und mehr als zwölf Millionen Vertriebene gefordert, davon 6,8 Millionen Binnenvertriebene in Syrien und 5,4 Millionen in Nachbarländern wie der Türkei, Jordanien und dem Libanon. 16,7 Millionen Menschen in Syrien, das entspricht 78 Prozent der Bevölkerung, benötigen offiziellen Angaben zufolge humanitäre Hilfe. Darüber hinaus sind 14,6 Millionen Menschen in Syrien von Ernährungsunsicherheit betroffen.