Superintendent Geist: „Nicht für alles kann der liebe Gott herhalten“

 
von Evangelischer Pressedienst

Wiener Ökumene-Tagung will „in einer säkularisierten Welt über Religion reden“

Wien (epdÖ) – Kirchen müssten sich in einer säkularisierten Welt anders zu behaupten lernen als bisher; in manchen Belangen würden evangelische und römisch-katholische Theologie gesamtgesellschaftlichen Vorgängen hinterherhinken. Das hat der Wiener Superintendent Matthias Geist am Dienstag, 1. Juni, bei der Ökumenischen Pfingsttagung in Wien betont. Behaupten könne man sich „nicht mit Allerweltsthesen, sondern mit spezifischer Ausdrucksform“. Geist: „Nicht für alles und jedes Thema kann der liebe Gott herhalten, sondern die spirituellen Wege mit christlicher Prägung benötigen eine Relevanz, eine Klarheit und eine zukunftsweisende Kraft.“

Der Superintendent erinnerte an seine Zeit als Gefängnisseelsorger in Wien. Ein Amt, das er 18 Jahre ausübte: „Die Aufgabe erschöpfte sich nicht in halbherzigen beraterischen Gesprächen, auch nicht in sozial-karitativen Formen von Nächstenliebe, die sich aufopfert. Ich lernte Menschen im Scheitern, in Verzweiflung und in der Weise kennen, wie Gott sie geschaffen hatte. Ich lernte Aufrichtigkeit und Schlitzohrigkeit kennen und führte doch alle Gespräche in die ernsthafte Auseinandersetzung mit dem Sein in der Welt, mit dem Sein vor Gott, mit dem Ringen um sich selbst. Versöhnung mit dem eigenen Ende, mit dem Ende von Beziehungen und mit der einzig lebendigen Hoffnung auf Gottes Barmherzigkeit und Vergebung, vermittelt durch Menschen – das waren Ziele.“

Man könnte vergleichbar auch die Situation in Krankenhäusern, in Pflegewohnheimen, in Erziehungsanstalten, „in kritischen und weniger kritischen Räumen und an Orten des gesellschaftlichen und familiären Miteinanders“ nennen, so Geist. Wenn die Gesellschaft die Augen verschließt vor sich selbst und vor den Nöten dieser Welt, dann müssten die Kirchen diese aufzeigen und Wege mitten in den Nöten bahnen.

Geist mahnte die Kirchen auch zur Wahrhaftigkeit: „Sprechen und Hören will gelernt sein. Dialogfähigkeit ohne Machtgefälle erst recht. Hier haben wir alle, auch die Kirchen noch viel zu lernen und in Gesellschaft einzubringen. Wo immer wir Anerkennung einbringen, wo immer Versöhnung ins Auge gefasst wird, werden wir die Stimme nicht umsonst erheben.“ Schließlich sprach der Superintendent auch die Flüchtlingsfragen, den Umwelt- und Klimaschutz wie auch die Coronapandemie an, wo die Kirchen gefordert seien. Die Menschen zu begleiten, „ihnen Veränderung zu ermöglichen und Hoffnung zu schenken, ist Aufgabe und Ziel christlicher Botschaft“.

Die Ökumenische Pfingsttagung mit Matthias Geist als Vortragendem wurde von der Vernetzten Ökumene Wien in der Krimkirche in Wien-Döbling veranstaltet.

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