Sag mir, wo du wohnst

 
von Evangelischer Pressedienst

Maria Katharina Moser über das Grundbedürfnis Wohnen, und was es mit unserer Identität zu tun hat

Wir alle brauchen ein Dach über dem Kopf und die Sicherheit unserer vier Wände, in denen es warm und trocken ist. Wohnen ist ein Grundbedürfnis, mehr noch, wohnen reicht bis an die Wurzeln unserer Identität. „Sag mir, wo du wohnst, und ich sag dir, wer du bist“, sagt ein bekanntes Sprichwort.

Ich will wer sein. Das hat sich wohl auch Ilsebill gedacht, von der die Gebrüder Grimm im Märchen „Von dem Fischer und seiner Frau“ erzählen. Ilsebill wohnt mit ihrem Mann in einer kleinen Fischhütte. Jeden Tag geht der Mann zum Angeln. Eines Tages zieht er einen großen Butt aus der See. Der sagt zu ihm: „Fischer, ich bitte dich, lass mich leben, ich bin kein richtiger Butt, ich bin ein verwunschener Prinz.“ Der Fischer folgt dem Wunsch des Butts und wirft ihn zurück ins Meer. Am Abend erzählt er seiner Frau davon. „Du hast ihn freigelassen? Hast du dir denn nichts gewünscht dafür?“ fragt sie ihren Mann und heißt ihn zurückgehen und dem Butt ihren Wunsch mitteilen: ein Häuschen. Der Mann geht also zur See und ruft: „Männlein, Männlein, Timpe Te, Butje, Butje in der See, meine Frau, die Ilsebill, will nicht so, wie ich es will.“ Der Butt kommt tatsächlich und fragt, was die Frau denn wolle. „Ein Häuschen“, antwortet der Fischer. „Geh nur“, sagt der Butt, „sie hat es schon.“ Und wirklich, als der Fischer nach Hause kommt, wartet seine Frau vor einem Häuschen.

Doch dabei bleibt es nicht. Als nächstes wünscht sich die Frau ein Schloss. Dann wünscht sie sich, König zu werden. Dann Kaiser. Und schließlich Papst. Jedes Mal ziert sich der Fischer, hinterfragt den Wunsch seiner Frau. Jedes Mal besteht sie auf ihrem Wunsch. Und so geht der Fischer mal um mal zum Meer, um dem Butt den Wunsch seiner Frau vorzutragen. Immer antwortet der Butt dem Fischer: „Geh nur, sie hat es schon.“ Und jedes Mal ist der Wunsch Realität geworden, wenn der Fischer nach Hause kommt. Doch die Frau findet keine Ruhe. „Geht hin zum Butt“, sagt sie zu ihrem Mann, „sag ihm, ich will werden, wie der liebe Gott.“ Der Fischer will nicht, aber dann geht er doch zum Butt. „Geh nur“, sagt der, „sie sitzt schon wieder in der Fischerhütte.“ Da sitzen sie noch bis auf den heutigen Tag.

„Sag mir, wo du wohnst, und ich sag dir, wer du bist“, das gilt nicht nur für Ilsebill, die wer sein und angemessen wohnen will und es dann übertreibt – die Moral von der Geschicht wird gern in der Warnung vor der Gier gesehen. Für mich hat die Geschichte hat noch eine andere, eine wichtigere Moral: Gott wohnt in einer Fischerhütte. Das sagt uns, wer Gott ist.

Weitere Artikel

Nach Oben