NGOs: Österreich muss „Zugpferd“ für Afrika-Hilfe werden

 
von Evangelischer Pressedienst
NGO-VertreterInnen vor dem Außenministerium. v.l.: Annelies Vilim (AG Globale Verantwortung), Anja Appel (Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz), Walter Hajek (Österreichisches Rotes Kreuz), Christoph Schweifer (Caritas Österreich),
NGO-VertreterInnen vor dem Außenministerium. v.l.: Annelies Vilim (AG Globale Verantwortung), Anja Appel (Koordinierungsstelle der Österreichischen Bischofskonferenz), Walter Hajek (Österreichisches Rotes Kreuz), Christoph Schweifer (Caritas Österreich), Erich Fenninger (Volkshilfe Österreich), Dagmar Lassmann (Diakonie). Foto: kathpress/Pernsteiner

Hilfsorganisationen fordern „Pakt mit Afrika“

Wien (epdÖ) – Vertreter von 35 entwicklungspolitischen Organisationen, darunter der Diakonie Katastrophenhilfe, haben die österreichische Bundesregierung aufgefordert, im Rahmen der ab 1. Juli startenden EU-Ratspräsidentschaft ein „Zugpferd für engagierte Entwicklungspolitik“ zu sein. Die oft versprochene „Hilfe vor Ort“ müsse forciert und ein „Pakt mit Afrika“ in die Wege geleitet werden, so die gemeinsame Forderung bei einem Pressetermin vor dem Außenministerium, bei dem die Aktivisten mit der Präsenz eines Lipizzaner-Pferdes ihren Aufruf unterstrichen. Die Regierung solle bei dem Thema die „Zügel in die Hand nehmen“, so die Botschaft.

Bereits jetzt im Frühling müsse die Regierung durch ein Maßnahmenpaket im Budget die Grundlagen für eine aktive Ratspräsidentschaft legen, erklärte Annelies Vilim vom Dachverband „AG Globale Verantwortung“. Nötig sei vor allem die Erhöhung der Mittel für die Entwicklungszusammenarbeit (EZA), wie von Kanzler Sebastian Kurz im Wahlkampf versprochen. „Eine zusätzliche Entwicklungsmilliarde für Afrika kann Lebensperspektiven für Millionen Menschen vor Ort schaffen“, so Vilim.

Dies wären in dieser Legislaturperiode 200 Millionen Euro jährlich, rechnete Erich Fenninger von der Volkshilfe vor. Ein „gesetzlich verankerter Stufenplan“ für die Erreichung des erklärten Regierungszieles, 0,7 Prozent des Bruttonationaleinkommens für Entwicklungsleistungen zur Verfügung zu stellen, sei zu schaffen. Erich Walter Hajek, Leiter der Internationalen Zusammenarbeit beim Roten Kreuz, verwies zudem auf das Versprechen von Regierungschef Kurz, den Auslandskatastrophenfonds von 20 auf 60 Millionen Euro zu erhöhen. „Das halten wir für eine gute Idee. Wir warten noch auf die Umsetzung.“

Österreich soll Afrika „pushen“

Konkret solle Österreich als Inhaber der EU-Ratspräsidentschaft dafür „pushen, dass das Afrika-Thema ein gesamteuropäisches Anliegen wird“, sagte Christoph Schweifer, Generalsekretär für internationale Programme bei der Caritas Österreich. Dabei gehe es vor allem um die Entwicklung des ländlichen Raumes, um die Förderung von Rechtsstaatlichkeit, die Wirtschaftsentwicklung zur Schaffung von Arbeitsplätzen vor Ort sowie die Förderung von Sozialsystemen – „damit nicht jede Krise zur Katastrophe für die Menschen wird“, wie Schweifer betonte. Da Österreich keine koloniale Vergangenheit habe, könne es eine Schlüsselrolle einnehmen.

Bei der geforderten stärkeren Zusammenarbeit mit dem südlichen Nachbarkontinent gehe es laut dem Caritas-Experten nicht nur um unmittelbare Linderung von Notsituationen und Schaffung von Perspektiven für Menschen vor Ort. „Langfristig wäre dies auch im Interesse Europas. Afrika ist ein dynamischer Kontinent, mit vielen gut Ausgebildeten in der jungen Generation und einer Bevölkerung, die mehrheitlich Demokratie und Rechtsstaatlichkeit will.“ Afrika habe das Potenzial, ein „starker Partner Europas zu sein“, weshalb ein EU-Pakt mit Afrika auch „im Interesse Österreichs und Europas“ wäre. „Wer Europa retten will, muss Afrika retten“, zitierte Schweifer den Journalisten Hugo Portisch.

UN-Ziele „Chefsache“ machen

Österreich müsse die UN-Entwicklungsziele endlich zur Chefsache erklären und diese als Richtschnur für das politische Handeln und somit auch für die Budgetplanung nehmen, forderte Anja Appel, die als neue Geschäftsführerin der Koordinierungsstelle (KOO) die katholischen EZA-Akteure vertrat. Da arme Bevölkerungsgruppen am stärksten an den Folgen des Klimawandels litten, sollten Projekte in Ländern des globalen Südens deutlich mehr unterstützt werden. Dies erfordere eine Politik, deren Maßnahmen einander verstärken statt sich zu widersprechen, sowie genügend entwicklungspolitische Bildung und Information, um dafür den Rückhalt und den ganzheitlichen Blick in der Bevölkerung zu stärken, erklärte Appel.

Ein „Abnehmen von Scheuklappen“ und ein rasches „Neudenken und Neudimensionieren“ der österreichischen Entwicklungszusammenarbeit forderte indes Reinhard Heiserer von der Hilfsorganisation „Jugend Eine Welt“ in einer Aussendung. Österreichs EZA sei auf mehrere Ministerien verteilt, viel zu gering ausgestattet und agiere weiterhin ohne Umsetzungsplan für die 2015 auf UN-Ebene beschlossenen Nachhaltigkeitsziele. Förderungen seien besonders für die Bildung und Ausbildung junger Menschen in „Zukunftsberufen“ und in umweltschonender, moderner Energie nötig. Dies verbessere auch die Exportchancen und das Personalangebot österreichischer Firmen in der Alternativ-Energiebranche.

Klein dimensionierte humanitäre Hilfe

Derzeit leistet Österreich 1,48 Milliarden Euro an Öffentlicher Entwicklungszusammenarbeit und Humanitärer Hilfe (ODA), wobei hier neben Finanzbeiträgen an internationale Institutionen wie die UNO oder Entwicklungsbanken („Multilaterale Mittel“) auch die Flüchtlingsbetreuungskosten in Österreich eingerechnet werden und mit einem Anteil von je über einem Drittel die mit Abstand größten Posten ausmachen. 81 Millionen Euro werden über die staatliche Entwicklungsagentur „Austrian Development Agency“ (ADA) an bilaterale Entwicklungsprogramme und -projekte vergeben. Bei der Humanitären Hilfe liegt Österreich mit 22,8 Millionen Euro – darunter 20 Mio. Euro aus dem Auslandskatastrophenfonds – im Vergleich weit hinter Finnland (70 Mio. Euro), Dänemark (306 Mio. Euro), Schweiz (332 Mio. Euro) oder Schweden (409 Mio. Euro).

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