NGO-Bündnis fordert Rücknahme von Gesetzesänderungen im Asylbereich
Moser: Erwarten von künftiger Regierung Rückkehr zu unabhängiger Rechtsberatung
Wien (epdÖ) – Mehr als 25 Nichtregierungsorganisationen haben sich zu einer gemeinsamen Plattform zusammengeschlossen, die für eine unabhängige Rechtsberatung für Asylwerberinnen und Asylwerber eintritt. Durch die im Mai vom Nationalrat auf den Weg gebrachte Bundesagentur für Betreuungs- und Unterstützungsleistungen (BBU) würden eine „menschenwürdige Betreuung und rechtsstaatliche Verfahren“ gefährdet, so die Initiatoren, zu denen unter anderem die Diakonie zählt. Die Bundesagentur soll ab 2020 alle Erstaufnahmezentren betreiben und ab 2021 auch für die Rechtsberatung der Asylsuchenden zuständig sein: Eine Aufgabe, die bislang zu großen Teilen von NGOs wahrgenommen wurde. Bei einer Pressekonferenz am Montag, 14. Oktober, in Wien kritisierten, stellvertretend für alle in der Initiative #fairlassen vertretenen Organisationen, Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser, die frühere Justizministerin Maria Berger, Schauspielerin Hilde Dalik, Ferry Maier von Menschenwürde Österreich und Volkshilfe-Geschäftsführer Ewald Fenninger die aktuelle Rechtslage.
Moser: „Blackbox, in der Menschen auf Flucht verschwinden“
Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser verglich die neu geschaffene Bundesagentur mit einer „Blackbox“, in der die Menschen auf der Flucht und deren Rechte verschwinden würden: „Wir erwarten, dass die künftige Bundesregierung diese Blackbox nicht belässt und zu einer unabhängigen Rechtsberatung zurückkehrt“, so Moser. Das aktuelle Hauptproblem bestehe in der schlechten Qualität erstinstanzlicher Asylbescheide: Fast die Hälfte davon würde in zweiter Instanz von einem unabhängigen Gericht wegen gravierender Mängel wieder aufgehoben werden. „Hier müsste der Staat ansetzen. Jetzt aber sollen diejenigen abgeschafft werden, die auf diese Fehler draufkommen.“
Berger: Vertragsverletzungsverfahren möglich
Die frühere Justizministerin und Richterin am Europäischen Gerichtshof Maria Berger erinnerte an den Artikel 47 der Europäischen Grundrechtecharta. Dieser fordert den Zugang zu einem unparteiischen Gericht sowie Rechtsschutz: „Es ist klar, dass diese Grundsätze auch für Asylverfahren gelten müssen“, unterstrich Berger. Die Übernahme der Rechtsberatung durch eine Bundesagentur „wäre so, als würde die Staatsanwaltschaft nicht nur die Anklage vertreten, sondern auch als Verteidiger auftreten.“ Berger sieht daher auf Unionsebene die Möglichkeit eines Vertragsverletzungsverfahrens im Raum stehen.
Fenninger: „Schiedsrichter kann nicht Trainer eines Teams sein“
Einen Paradigmenwechsel von einem rechtsstaatlichen zu einem „in sich geschlossenen, intransparenten System“ wittert Volkshilfe-Direktor Erich Fenninger: „Der Schiedsrichter eines Spiels kann nicht zugleich der Trainer eines Teams sehen“. Menschen hätten ein Bedürfnis nach Sicherheit – Menschen auf der Flucht hätten jedoch gerade diese verloren.
Maier: „Fürchte Wegschauen der Behörden“
Sein Misstrauen in Hinblick auf die bald beginnenden Hearings für die Stelle der Geschäftsführung der BBU äußerte Ferry Maier, Mitinitiator von Menschen.Würde.Österreich: „Wir dürfen uns nicht wundern, wenn jemand das Amt übernimmt, der sehr gut mit den Behörden kann.“ Er fürchtet künftig ein „Wegschauen“ der Behörden, wie es angesichts der Situation im überfüllten Erstaufnahmezentrum Traiskirchen geschehen sei. Hier hätte etwa erst die Zivilgesellschaft für eine adäquate sanitäre Lage gesorgt. Wenn die nächste Regierung den politischen Willen zeige, dann sei es durchaus möglich, dass das im Mai beschlossene Gesetz wieder geändert werde.
Dalik: Initiativen zur Integration in Gefahr
Die Schauspielerin Hilde Dalik kritisierte, dass mit der Reorganisation des Asylwesens auch der Zutritt von Privatpersonen zu Flüchtlingsunterkünften verboten und damit Unterstützung erschwert würde: „Ziel des neuen Gesetzes kann nur sein, dass Integration nicht erwünscht ist, dass die Aufnahme von Flüchtlingen ein Fehler bleibt, der korrigiert werden muss.“ Dalik selbst hatte ein Theaterprojekt lanciert, bei dem Flüchtlinge auf der Bühne standen. Initiativen wie diese seien durch das neue Gesetz in Gefahr.
Dem Bündnis #fairlassen gehören unter anderem die Diakonie Österreich, die Volkshilfe, Amnesty International und SOS Mitmensch an. Auf der Homepage der Initiative können Unterstützerinnen und Unterstützer den Appell der NGOs unterzeichnen: www.fairlassen.at