Körtner zur Corona-Politik: „Schaden nimmt die Demokratie“
Theologe warnt in „Furche“-Gastkommentar vor massivem Vertrauensverlust gegenüber Parteien
Wien (epdÖ) – Der Theologe Ulrich Körtner kritisiert in seinem Gastkommentar in der „Furche“ die österreichische Corona-Politik. „Ob in Wien oder St. Pölten: Die Regierenden gewinnen mit dem Kursschwenk in puncto Coronapolitik kein Vertrauen zurück, sondern setzen den letzten Rest davon aufs Spiel“, schreibt der Ordinarius für Systematische Theologie und ehemalige Leiter des Instituts für Ethik und Recht in der Medizin in der Ausgabe vom 30. März.
Dabei nimmt Körtner konkret Bezug auf die Politik der niederösterreichischen ÖVP, die auf die Forderungen des neuen Regierungspartners FPÖ nach einem mit 30 Millionen ausgestatteten Corona-Fonds zur „Wiedergutmachung“ für „Corona-Opfer“ eingegangen sei. Zudem soll der St. Pöltner Landesregierung zufolge „jegliche Werbung für Corona-Impfungen“ eingestellt werden.
Die Bioethikkommission, der Körtner über mehrere Jahre angehört hatte, kritisiere jedoch die Entscheidung, nicht mehr für die Corona-Impfung zu werben, „zu Recht“ als eine Verletzung der Schutzpflicht des Staates. „Der Verzicht auf öffentliche Information könnte insbesondere für besonders gefährdete Bevölkerungsgruppen ‚indirekt eine vermeidbare Gesundheitsgefährdung bewirken‘. Schließlich sei die rasche Entwicklung von Impfstoffen gegen Corona der „Game Changer“ im Kampf gegen das Virus gewesen. „Wer jetzt Impfgegner als politische Opfer darstellt, sei an die mehr als 22.000 Toten erinnert, welche die Pandemie allein in Österreich gefordert hat“, betont Körtner.
Für den angekündigten Prozess der Versöhnung zwischen Befürwortern und Gegnern der Corona-Politik verheiße dies nichts Gutes. Darüber hinaus seien die Begleitumstände rund um die Auflösung des Expertengremiums „Gecko“ (Gesamtstaatliche Covid-Krisenkoordination) „kein gutes Signal“. Überdies gibt Körtner zu bedenken: „Was ist mit den Opfern von Ivermectin?“ Der freiheitliche Bundesparteiobmann Herbert Kickl hatte das vor allem bei Pferden eingesetzte Anti-Wurm-Mittel als ein vermeintliches Mittel gegen das Coronavirus beworben.
Eine Gesundheitspolitik ohne wissenschaftliche Expertise bezeichnet Körtner als „grob fahrlässig“. Der politische Schaden, der im Land angerichtet wurde, habe nicht in der Impfpflicht bestanden, „sondern in der Inkonsistenz der Corona-Politik, die noch dazu zwischen die Mühlsteine von Bund und Ländern geriet“. Dies habe zu einem massiven Vertrauensverlust der Regierung und der Politik insgesamt geführt. Die von den Grünen gestellten Gesundheitsminister, aber auch die SPÖ, hätten nach Ansicht Körtners „das Ihre“ dazu beigetragen.
Die Bioethikkommission befürchte „zu Recht“, es könnten durch den Kursschwenk „die Drohungen und Vorwürfe gegen diejenigen wieder aufflammen, die sich für die Überwindung der Pandemie eingesetzt haben“, schreibt Körtner weiter. Auf diese Weise reiße man neue Gräben auf. „Die Regierenden gewinnen so kein Vertrauen zurück, sondern setzen auch noch den letzten Rest von Vertrauen aufs Spiel. Der angerichtete Schaden ist nicht nur ein gesundheitspolitischer. Gefördert wird auch die in Österreich ohnehin bestehende Wissenschaftsfeindlichkeit. Schaden nimmt letztlich auch die Demokratie“, so Körtner.