Körtner fordert breite öffentliche Debatte über Gesundheitspolitik

ORF-Diskussion über Wirtschaftsinteressen und Gesundheit in der Krise

 
von Evangelischer Pressedienst
Virtuelle Diskussionsrunde: Sigrid Maurer (Grüne), Jörg Leichtfried (SPÖ), der Theologe Ulrich Körtner und Georg Kapsch von der Industriellenvereinigung (im Uhrzeigersinn). Foto: ORF/Screenshot
Virtuelle Diskussionsrunde: Sigrid Maurer (Grüne), Jörg Leichtfried (SPÖ), der Theologe Ulrich Körtner und Georg Kapsch von der Industriellenvereinigung (im Uhrzeigersinn). Foto: ORF/Screenshot

ORF-Diskussion über Wirtschaftsinteressen und Gesundheit in der Krise

Wien (epdÖ) – Eine breite öffentliche Debatte über gesundheitspolitische Fragen hat der evangelische Theologe und Medizinethiker Ulrich Körtner eingefordert. In einer TV-Diskussion auf ORF III fragte Körtner am Donnerstag, 16. April: „Es geht um Verteilung von Ressourcen in einem gesamtgesellschaftlichen Bereich: Was wollen wir zum Beispiel überhaupt für Gesundheit ausgeben?“ Gemeinsam mit dem Professor für Systematische Theologie diskutierten Sigrid Maurer (Grüne), Jörg Leichtfried (SPÖ) und Georg Kapsch (Industriellenvereinigung) die Frage nach der Abwägung von Wirtschaft und öffentlicher Gesundheit in der Coronakrise.

Die bisherigen Maßnahmen der Bundesregierung, die zum Ziel gehabt hätten, eine Überlastung des Gesundheitssystems und insbesondere der Intensivmedizin, zu verhindern halte er für richtig, so Körtner. Gleichzeitig räumte er ein, dass dieses System nicht ohne prosperierende Wirtschaft funktionieren könne. Auch darüber sei noch verstärkt zu diskutieren. In der Krise sei nun zu erkennen, wie wichtig der oft schon „totgesagte“ Nationalstaat sei. Zugleich warnte Körtner vor einer neuen Welle von Verstaatlichungen, da diese global betrachtet in eine neue Form des Protektionismus münden und sozialethische Probleme nach sich ziehen könnten. „Wir müssen über die transnationalen Verpflichtungen nachdenken, und konkret auch die europäische Perspektive mit in den Blick nehmen.“

Maurer: Haben gleichzeitig eine Klimakrise

Staatliche Hilfen müssten an Bedingungen gebunden sein, etwa eine Klimakomponente, so Sigrid Maurer, Klubobfrau der Grünen im Parlament. „Wir haben akut die Coronakrise, wir haben aber gleichzeitig die Klimakrise, die wir zu bewältigen haben. Das darf man nicht vergessen, auch wenn Corona momentan alles zudeckt.“ Den immer wieder vorgeschlagenen Lösungsansatz, nur Menschen aus Risikogruppen in der Isolation zu belassen, hält sie aus einer „Grundrechtsperspektive“ für problematisch: „Es bedeutet de facto, wir sperren die Alten ein und diejenigen, die gesundheitlich nicht so fit sind.“ Es gebe zudem genauso junge Menschen, die schwere Krankheitsverläufe zeigten und an Corona sterben.

Leichtfried: Anhebung des Arbeitslosengelds während Krise

Jörg Leichtfried, SPÖ-Nationalratsabgeordneter und stellvertretender Klubobmann, kritisierte, die wirtschaftspolitischen Maßnahmen der Regierung orientierten sich zu sehr auf Unternehmen. „Vor allem geht es um die Menschen, die jetzt arbeitslos geworden sind, die plötzlich nur mehr 55 Prozent ihres Einkommens haben.“ Wesentlich sei daher eine Anhebung des Arbeitslosengeldes während der Krise. Und: „Es braucht parlamentarische Kontrolle und Sensibilität im Umgang mit Grund- und Freiheitsrechten“, so der SPÖ-Verfassungssprecher.

Kapsch: Maßnahmen zeigen auch negative Folgen

Es gehe ihm nicht um die Abwägung zwischen Menschenleben und Ökonomie, sondern um die Frage der „wirklichen Konsequenz“ der Maßnahmen, die die Regierung in der Coronakrise setze, so Georg Kapsch, Präsident der Österreichischen Industriellenvereinigung. Diese Maßnahmen zeitigten auch negative Folgen, meinte Kapsch und nannte unter anderem den Anstieg häuslicher Gewalt, die Zunahme von Selbstmorden, mangelnde Gesundheitsversorgung für nicht an Corona Erkrankte oder die ökonomischen Folgen für hunderttausende Arbeitslose: „Ich kritisiere, dass der Diskurs darüber nicht zugelassen wird.“

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