Kara Tepe – Superintendent Geist fordert Mut zu humanitären Lösungen
Offener Brief an Bundeskanzler Kurz – „Jedes kleine Kind ist es wert, dass wir ihm helfen“
Wien (epdÖ) – Der evangelische Superintendent der Diözese Wien, Matthias Geist, hat die Bundesregierung zu mehr „Mut zu Kara Tepe“ aufgefordert. In einem Offenen Brief an Bundeskanzler Sebastian Kurz unterstreicht der Superintendent, dass „mehr Mut dazugehört, seine Meinung zu verändern, als hartnäckig zu ihr zu stehen – koste es was es wolle“. Den Bundeskanzler ruft der Wiener Superintendent auf, „sich hier und heute in Verantwortung für die Menschenleben vor den Toren Europas offen zu zeigen“. Ein Evakuieren bedrohter Menschen könne „immer – aus Nächstenliebe und/oder humanitären Gründen“ erfolgen. Dazu sei jeder gesicherte Ort, jede „in sich ruhende Gemeinschaft“ fähig.
Würden rechtsstaatlich mögliche und menschliche Prinzipien weiter getrennt, drohe tausenden Menschen weiteres und unverdientes Elend, „das weder ich noch verantwortungsbewusste Österreicherinnen und Österreicher so sehen und verantworten wollen“, schreibt der Superintendent. Korridore sollten möglich werden, damit „Solidarität mit den Bedürftigsten dieser Welt“ gelebt, Kinder gerettet und in eine „heilvollere Zukunft“ geführt werden.
Der menschenunwürdige Zustand in den griechischen Flüchtlingslagern lasse Europa in seinen Werten unglaubwürdig werden. „Bitte ändern Sie und alle Regierungsmitglieder mit Ihnen Ihre Haltung“, appelliert Geist an den Bundeskanzler, „bedenken Sie bitte kein politisches Kalkül, Allianzen in Österreich oder der EU, sondern bedenken Sie, ob es nicht jedes kleine Kind wert ist, dass wir ihm helfen – mit allen unseren Mitteln“, so der Superintendent.
Pfarrerin Lechner: Seid Barmherzig
Die evangelische Pfarrerin Helene Lechner aus Wien-Liesing unterstreicht die Forderung mit einer Foto-Aktion. Als Mutter zweier kleiner Kinder sei sie entsetzt über die bekannt gewordenen Szenarien im Flüchtlingslager. „Horrormeldungen von Ratten, die Kinder im Schlaf verletzen und davon, dass Kinder sich das Leben nehmen wollen, erreichen uns in unseren vorweihnachtlichen Wohnzimmern und machen uns klar, was an ‚hässlichen Bildern‘ im Verantwortungsbereich der Europäischen Union offenbar möglich ist. Dass diese Situation ein Ende finden muss, ist vielen Menschen in Österreich mehr als bewusst und trotzdem bewegt sich nichts“, so Pfarrerin Lechner. „Die Botschaft von Weihnachten, die uns in den kommenden Tagen erreicht und die wir uns gegenseitig weitererzählen, ist klar: Gott ist auf der Seite der Armen, der Ohnmächtigen und Schwachen, der Kleinen und Hilfsbedürftigen! Gott lässt sich dort finden, wo wir unser Herz füreinander öffnen und das gute Leben für alle suchen.“ Dazu passt die Jahreslosung für das Jahr 2021: „Seid barmherzig, wie auch euer Vater barmherzig ist“ (Lukas 6,36). Dieses Bibelwort greift Lechner für ihre Fotoaktion auf. „Haltet die Barmherzigkeit hoch“, sagt Lechner und fordert: „Das Lager muss evakuiert werden!“
Diakonie: Unverständnis über Rückführung nach Griechenland
Die Diakonie Österreich hat ihr Entsetzen über die Situation im Lager Kara Tepe wiederholt. In einer Aussendung berichtete sie zudem von einem 16-Jährigen, der 2019 von Lesbos nach Österreich geflohen sei. Österreich habe nun entschieden, ihn nach Griechenland abzuschieben. „Aus der Sicht der Diakonie ist es völlig unvorstellbar in dieser Situation auch noch Menschen nach Griechenland zurückzuschicken“, sagt Diakonie-Direktorin Maria Katharina Moser und appelliert an den Innenminister, dem Jugendlichen in Österreich Schutz zu gewähren. „Die Bundesregierung muss ihre ablehnende Haltung zur solidarischen Aufnahme von Schutzsuchenden aus Griechenland überdenken, bevor in den Lagern Menschen erfrieren.“