„Hilf dir selbst!“
Michael Chalupka über ein Credo unserer Zeit
Mit Jesus werden auf Golgatha zwei Männer gekreuzigt. Mitten hinein in die Totenstille, da gellt ein Schrei, ein verzweifelter höhnischer Ruf des einen Schächers, der fleht und zugleich Jesus verspottet: „Hilf dir doch selbst!“ Wenn du es kannst, schwingt da mit.
Dieser Satz schreit mitten hinein in unsere Zeit, überwindet Zeit und Raum. Hilf dir doch selbst, ist ein Satz wie von einem Werbeplakat. Glaub an dich. Hilf dir selbst, dann hilft dir Gott. Du bist deines Glückes Schmied. Anders als Pontius Pilatus, ist der Schächer am Kreuz nicht ins Glaubensbekenntnis eingegangen, jedoch ins Credo unserer Zeit.
Sei fit, glaub an dich, dann kannst du dir auch selber helfen. Wer es schafft, sein Immunsystem zu stärken, der müsse sich keine Sorge machen, hört man. Da braucht es kein aufeinander achten, da braucht es keine Vorsicht und vor allem keine Rücksicht auf den anderen. Wer sich selbst nicht zu helfen weiß, der ist selber schuld, der war eben nicht stark genug.
In dieser Situation des Ausgeliefertseins am Kreuz wird die Menschwerdung komplett. Gott wäre nicht ganz Mensch geworden ohne diese Erfahrung, sich nicht selbst helfen zu können. Ohne diese Erfahrung der Hilflosigkeit angesichts der Endlichkeit und Begrenztheit menschlicher Machbarkeit. Gerade weil Gott Mensch geworden ist, hat er uns erlöst. Auch von der Hybris, uns selbst an Gottes Stelle setzen zu wollen und der Hilfe nicht zu bedürfen.