Heilsame Berührung
Maria Katharina Moser über den hohen Wert körperlicher Nähe
Hudsult, Hauthunger – so nennt man auf Dänisch, wenn wir uns nach Nähe und Berührung sehnen. Heute ist ein guter Tag, um den Hauthunger zu stillen. Der 21. Jänner ist Weltkuscheltag. Ins Leben gerufen wurde er 1986, um Menschen zu motivieren, sich öfter zu umarmen. Denn Nähe und Berührung sind heilsam. Freilich nur dann, wenn sie gewollt sind!
Körperkontakt beruhigt, senkt Puls und Stresslevel. Aus Nähe schöpfen wir Sicherheit, Geborgenheit und Kraft. Wir Menschen sind von Geburt an auf Zuwendung eingestellt. Das ist kein romantisches Blabla. Das zeigen Studien.
Welche langfristigen Folgen der Mangel an Zuwendung hat, zeigt eine Studie der US-Wissenschafter Alison Fries und Seth Pollack – ihre Beobachtungen bewegen mich. Sie haben eine Gruppe von Vierjährigen und ihre Mütter eingeladen, miteinander zu spielen. Die Mütter wurden gebeten, ihre Kinder währenddessen beiläufig zu berühren, etwa ihnen zärtlich über den Rücken zu streicheln. Danach wurde der Oxytocin-Spiegel der Kinder gemessen. Oxytocin ist ein Hormon, das Stress reduziert, Schmerzempfindungen hemmt und Ängste dämpft. Es wird auch als Bindungshormon bezeichnet, weil es die Bindungsfähigkeit stärkt und so hilft, stabile Beziehungen zu führen.
Ein Teil der Kinder in der Studie waren Adoptivkinder. Bevor sie zu ihren Eltern gekommen waren, lebten sie über ein Jahr in Heimen, wo sie zwar adäquat versorgt, aber emotional vernachlässigt worden waren. Bei ihnen wurde im Vergleich zu jenen Kindern, die alle vier Jahre ihres Lebens liebevoll von ihren Eltern umsorgt worden waren, ein wesentlich geringerer Oxytocin-Anstieg festgestellt. Auch wenn die Kinder nun in einem liebevollen Umfeld leben – der Mangel an Zuwendung und Nähe in frühen Lebensjahren hat sich gleichsam in ihren Körper eingeschrieben.
Zu biblischen Zeiten wusste man über diese neurobiologischen Zusammenhänge noch nichts. Aber dass Nähe heilsam ist, weiß auch die Bibel. Der Prophet Jesaja beschreibt das Heil, das Gott verspricht, mit Bildern körperlicher Nähe: „Denn so spricht der Herr: Siehe, ich breite aus den Frieden wie einen Strom. Da werdet ihr saugen, auf dem Arm wird man euch tragen und auf den Knien euch liebkosen. Ich will euch trösten, wie einen seine Mutter tröstet.“
Wenn ich die Zeitung aufschlage, erscheint mir unsere Welt oft trostlos. So viel Missgunst, Zerstörung und Gewalt. In der Gesellschaft und in den Herzen. Auch wenn Kuscheln am Weltkuscheltag nicht den Weltfrieden bringen wird – ich glaube, es ist heilsam für uns selbst, für andere Menschen und für unsere Gesellschaft, wenn wir uns berührbar machen und andere berühren.