Hass
Michael Chalupka über eine verletzende und zerstörerische Kraft
„Steckt in uns allen Böses?“ fragt die 22-jährige Journalistin Maya Goertz die 94-jährige berühmte amerikanische Psychoanalytikerin Erika Freeman, die heute im Hotel Imperial in Wien lebt, in einem Interview der NZZ.
„Menschen hassen gerne“, ist die ernüchternde Antwort. „Und Hass ist ein sehr hartnäckiges Gefühl. Es gibt Personen, die andere leiden sehen wollen. Und wenn einem dann jemand erlaubt zu hassen und den Hass auszuleben, dann beginnt man, diese Person zu mögen.“
Es sind nicht immer Einzelpersonen, die die Erlaubnis zum Hassen geben. Die Abwertung von Personengruppen; die Entmenschlichung, wenn andere als Ungeziefer, das ausgetilgt werden muss, bezeichnet werden; die Erfindung von Sündenböcken, denen die Schuld für die eigenen Unzufriedenheit zugeschoben werden kann – der Hass bricht sich auf den Social-Media-Kanälen Bahn unter dem Deckmantel der Meinungsfreiheit. Alles ist sagbar, die Erlaubnis ist allgemein, und die, die sie geben, werden geliebt und belohnt. Auch die Demokratie ist vor den Versuchungen, mit der Erlaubnis des Hasses Stimmen zu gewinnen, nicht gefeit.
Doch nicht alles, was möglich ist, dient dem Guten. Hass verletzt, Hass zerstört. Die Bibel weiß darum und mahnt vor der Verlockung des Überlegenheitsgefühls und Größenwahns, die im Hass liegen. Im Buch der Sprüche heißt es: „Besser eine Krautsuppe mit Liebe als ein gemästeter Ochse mit Hass.“