Gleich an Würde und Rechten

 
von Evangelischer Pressedienst

Maria Katharina Moser zum 75. Geburtstag der Allgemeinen Erklärung der Menschenrechte

„Von Mensch zu Mensch eine Brücke bauen“ – ich habe dieses Sing-Spiel geliebt als Kind. Zwei Kinder sind sich gegenübergestanden, haben einander die Hände gereicht, sie hochgehalten, so eine Brücke gebaut und gesungen: „Von Mensch zu Mensch eine Brücke bauen, dem anderen tief in die Augen schauen. In jedem Menschen das Gute sehen und nicht an ihm vorübergehen.“ Noch grundlegender hätten wir singen können: „In jedem Menschen den Menschen sehen.“

In jedem Menschen den Menschen sehen – das ist die Kern-Idee der Menschenrechte: „Alle Menschen sind frei und gleich an Würde und Rechten geboren. Sie sind mit Vernunft und Gewissen begabt und sollen einander im Geist der Brüderlichkeit begegnen.“ So beginnt die Allgemeine Erklärung der Menschenrechte, deren 75. Geburtstag wir heute feiern.

„Und Gott schuf den Menschen zu seinem Bilde, zum Bilde Gottes schuf er ihn“, heißt es ganz am Anfang der Bibel. Wir Menschen sind Geschöpfe Gottes, und Gott hat uns nach seinem Bild geschaffen, darin wurzelt unsere Würde. Die Würde aller Menschen und eines jeden und einer jeden einzelnen. Diese Gottebenbildlichkeit wird verletzt, wenn die Rechte von Menschen verletzt werden. Wenn Menschen gefoltert oder getötet werden, ihre Meinung nicht frei äußern oder ihre Religion nicht frei leben können, kein Dach über dem Kopf, nicht ausreichend Nahrung, keine Gesundheitsversorgung haben, nicht mit ihrer Familie leben können und keinen Zugang zu Arbeit oder Bildung haben.

Die Überzeugung, dass Menschen Rechte haben, die ihnen niemand nehmen darf, kommt aus der Erfahrung, dass genau das passiert ist. Der Weg zu den Menschenrechten führte durch die Abgründe der Geschichte, vorbei an den Stätten des Nazi-Terrors. Die Gottebenbildlichkeit, in der Würde und Rechte gründen, wurde im Nationalsozialismus verletzt – und wird es auch heute noch.

Oft scheinen uns die Menschenrechte abstrakt und allgemein. Doch im Grunde ist es ganz einfach: Ich brauch was zum Essen – du brauchst was zum Essen. Ich brauch einen Arzt – du brauchst einen Arzt. Ich brauch eine Arbeit – du brauchst eine Arbeit. Ich will lernen – du willst lernen. Ich will mitreden – du willst mitreden. Ich hab eine Meinung – du hast eine Meinung. Bei den Menschenrechten geht es um grundlegende Bedürfnisse. Bedürfnisse, die jeder Mensch hat und uns miteinander verbinden. Deswegen gelten die Menschenrechte für alle. Wenn die Menschenrechte einer Gruppe missachtet werden – z.B. von Menschen auf der Flucht oder Menschen mit Behinderungen – dann sind die Menschenrechte für alle in Gefahr.

Die Menschenrechte kommen mir zu, und ich bin verpflichtet, die Menschenrechte anderer zu achten. Menschenrechte achten heißt, in jedem Menschen den Menschen sehen.

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