Fischer als Gastprediger in Wien-Ottakring
Religion kann Antworten auf existenzielle Fragen geben Wien
Religion kann Antworten auf existenzielle Fragen geben
Wien (epdÖ) – Der beste Schutz für die Gewissensfreiheit ist eine Demokratie auf Grundlage der Menschenrechte. Diesen Gedanken stellte Alt-Bundespräsident Heinz Fischer in das Zentrum seiner Gastpredigt am Sonntag, 22. Jänner, in der evangelischen Markuskirche in Wien-Ottakring. Anlass für das ungewöhnliche Ereignis ist eine Predigtreihe der Pfarrgemeinde im Blick auf 500 Jahre Reformation. Ausgangspunkt für Fischers Kanzelrede war das Luther zugeschriebene Zitat „Hier stehe ich, ich kann nicht anders.“ Der Reformator soll sich 1521 mit diesen Worten gegenüber dem Reichstag zu Worms auf sein Gewissen berufen und die Widerrufung seiner Lehren verweigert haben.
Fischer verglich Luthers Situation in Worms 1521 mit jener von Galileo Galilei 111 Jahre später. Luther sei noch vor Galilei in der Situation gewesen, dass er seinen Überzeugungen hatte abschwören müssen. Luther habe das aber nicht getan und diese Entscheidung mit seinem Gewissen begründet, das er über die Befehle eines Kaisers und des Reichstages stellte. Luther und Galilei seien leider keine Einzelfälle in der Geschichte gewesen, so Fischer, der an die Zeit des Nationalsozialismus erinnerte. Viele Menschen seien damals gezwungen worden, ihren humanistischen Überzeugungen abzuschwören. Manche hätten das aber nicht getan. „Von denen haben das viele mit ihrem Leben bezahlt, vielleicht sogar mit schweren Nachteilen für Verwandte und Kinder.“
Vor diesem Hintergrund sei es wichtig, für eine „pluralistische, faire, humane, Menschenrechte achtende Demokratie einzutreten“. Eine demokratische Gesellschaft mit Kontrolleinrichtungen und Menschenrechten könne den Einzelnen am ehesten schützen. „In die Situation eines Luther oder Galilei kommt man am ehesten in Zeiten, wo Menschenrechte nicht existieren und kein Humanismus vorhanden ist“, sagte Fischer, der in diesem Zusammenhang auch an den früheren SPÖ-Politiker und Bundeskanzler Bruno Kreisky erinnerte. Dieser wurde 1934 wegen seiner politischen Aktivitäten verhaftet und des Hochverrats angeklagt. Kreisky habe damals im Prozess zu seinen Überzeugungen gestanden und ist deswegen zu einem Jahr Kerker verurteilt worden.
Fischer, der aus der Katholischen Kirche ausgetreten ist und keiner Religionsgemeinschaft angehört, betonte, dass er den Wert der Religion bereits in der Schulzeit schätzen gelernt habe: „Religion ist etwas, was es in allen Kulturen, in allen Phasen der Menschheitsgeschichte gibt.“ Es sei ganz natürlich, sich selbst existenzielle Fragen zu stellen, und es sei selbstverständlich und logisch, dass Religion Antworten darauf geben könne. Er selbst habe bereits viele großartige Menschen kennen gelernt, die religiös seien.