Europa der Solidarität

 
von Evangelischer Pressedienst

Maria Katharina Moser über das, was der Krieg nicht nehmen kann

„Was wird aus uns werden? Ich hab ein paar Dinge im Koffer und meine Erinnerungen im Herzen. Und ich frage mich: Was wird aus uns werden?“ Fragen wie diese hören die haupt- und ehrenamtlichen Mitarbeiter:innen der Diakonie in Österreich und ihrer Partnerorganisationen in den Nachbarländern der Ukraine. Europaweit sind Hilfsorganisationen und Pfarrgemeinden der Evangelischen Kirchen da für die, die vor den Schrecken des Krieges fliehen. Sie leisten Soforthilfe mit Gütern des täglichen Bedarfs, haben ein offenes Ohr, versuchen, ein Gefühl von Sicherheit zu vermitteln, sorgen für ein Dach über dem Kopf, beraten, wie es weitergehen kann. Kleine Gesten schenken einen Hauch von Normalität: ein kleiner Kuchen zum Geburtstag, Blumen für Frauen am Internationalen Frauentag. Millionen Ukrainerinnen und Ukrainer sind auf der Flucht. Unter ihnen viele Kinder und Jugendliche.

Andere können nicht fliehen. Vor allem die Alten. Sie harren aus in Kellnern, während über ihren Köpfen Bomben fallen. Auch sie werden weiter betreut von Hilfsorganisationen. „Das allerwichtigste ist, dass alte Menschen, Angehörige von Menschen mit Demenz, alleinstehende Seniorinnen zumindest mit jemandem sprechen können“, erzählt Galina Poliakova. Die Präsidentin von TLU, einer langjährigen Partnerorganisation der Diakonie, die in neun Städten in der Ukraine Menschen mit Pflegebedarf und ihre Familien unterstützt, meldet sich via Zoom aus einem Keller. „Die Situation kann sich stündlich ändern. Wenn wir nicht raus können, arbeiten wir über unser Telefonnetzwerk. Wir geben Infos weiter: Welcher Arzt gibt telefonisch Auskunft? Wo gibt es noch Blutdrucksenker? Wie kann ich meine demenzkranke Mutter beruhigen, damit sie nicht aus dem Keller hinausläuft? Es sterben auch Menschen im Keller – was mache ich dann? In solchen Situationen heben unsere Mitarbeiterinnen das Telefon ab.“

„Krieg darf nach Gottes Willen nicht sein“, hat die 1. Vollversammlung des Ökumenischen Rates der Kirchen 1948 bekannt. Im 16. Jahrhundert schreibt Martin Luther über den Krieg: „Der Krieg nimmt einfach alles hinweg, was Gott geben kann: Staatswesen, Ehe, Besitz, Ansehen, Wissenschaft…“ In diesen Worten spiegelt sich die verzweifelte Frage: Was wird aus uns werden? Und doch gibt es etwas, das der Krieg nicht hinfort nehmen kann: Solidarität, Nächstenliebe und die Hoffnung, die Menschen sich gegenseitig schenken, wenn sie einander nicht alleine lassen. In ukrainischen Kellern, an den Grenzen, in Europa, in Österreich.

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